„Öffentlicher Gesundheitsdienst - nur dort, wo es Kerngeschäft ist.“

Seit Mai dieses Jahres gibt es eine neue Genossenschaft im Gesundheitsbereich: SAPS. Warum diese Genossenschaft als privater Anbieter von Gesundheitsleistungen eine Alternative zur öffentlichen Sanität sein kann, erklärt der Präsident der Genossenschaft Rupert Waldner im Interview.

Herr Waldner, Sie haben im Mai die Genossenschaft der privaten Erbringer von gesundheitlichen Leistungen (SAPS) aus der Taufe gehoben - eine Genossenschaft, die privat Gesundheitsdienste anbietet. Warum braucht es dies in Südtirol?

In Südtirol liegt nur 2,5 Prozent des gesamten Gesundheitsbudgets in privat konventionierter Hand, das ist italienweit das niedrigste Budget überhaupt. Das sind 30 Mio. Euro bei 1,3 Mrd. Euro an Ausgaben, während bei unseren Nachbarn in Trient 100 Mio. Euro zu  1,1 Mrd. Euro in konventionierter Hand sind. Wir alle (Anm.: die privaten Erbringer von gesundheitlichen Leistungen) haben uns zusammengetan, um diese Situation für die Zukunft zu verbessern und für den Sanitätsbetrieb ein interessanter und wichtiger Partner zu werden. Wir wollen unsere Position stärken und sind bestrebt, die Kosten für die Gesundheit einzudämmen, ansonsten wird das Sanitätssystem nicht mehr finanzierbar sein.

Sie möchten Sanitätsleistungen wesentlich günstiger anbieten. Wie schaffen Sie das?

Wir bieten Leistungen bereits jetzt wesentlich günstiger an. Erst kürzlich haben wir in einem Rechenschaftsbericht des Generaldirektors des Südtiroler Sanitätsbetriebes Thomas Schael gelesen, dass die Neuro-Reha-Betten in Sterzing 830 Euro pro Tag und Person kosten. Wir, in unserer Klinik Villa Melitta in Bozen, bieten genau das gleiche um 360 Euro an. Jetzt kann man sich natürlich fragen, wie sinnvoll es ist so viel Geld mehr auszugeben. Die Frage ist, ob der Steuerzahler sich das auf Dauer leisten kann und ob es weiterhin tragbar ist, dass man für jedes Tal ein Krankenhaus haben muss. Man sollte sich überlegen, ob man diese Strukturen nicht an privat konventionierte Leistungserbringer weitervermieten sollte. Diese können die Leistungen tatsächlich um 70 Prozent billiger anbieten.

Um welche Leistungen geht es konkret?

Es geht um Leistungen, die eigentlich nicht zum Kerngeschäft der öffentlichen Gesundheit gehören sollten wie Reha, Visiten verschiedenster Fachrichtungen, von der Dermatologie über die Kardiologie. Auch die Geriatrie könnte ausgelagert werden. Es ist sinnvoll, den Privatanbieter dort zu holen, wo die Leistungen dem öffentlichen Gesundheitssystem sehr viel Geld kosten und die nicht das eigentliche Kerngeschäft betreffen.

Warum haben Sie sich für die Unternehmensform Genossenschaft entschieden?

Das ist eine gute Frage. Wir sind ein ernstzunehmender Akteur im Bereich Gesundheit in Südtirol. Und wir wollen diese Rolle so gut wie möglich wahrnehmen und zwar in einer Gesellschaftsform, die nicht in erster Linie auf Gewinn abzielt. Gewinn muss da sein, weil man wieder reinvestieren muss, um immer auf dem letzten Stand der Dinge zu sein. Aber wenn es um Gesundheit geht, soll das nicht das Hauptziel sein. Deshalb haben wir uns für die Unternehmensform Genossenschaft entschieden.

Außerdem hat bei einer Genossenschaft jedes Mitglied gleichviel Gewicht bei Entscheidungen und dadurch sind auch kleinere Ambulatorien und medizinische Strukturen daran interessiert mitzumachen. Diese haben ja kein Interesse mitzutun, wenn die fünf Großen alles entscheiden.

Unser Ziel ist es, so viel Mitglieder wie möglich anzuwerben, auch Ambulatorien. Damit wir ein großes Becken an privaten Anbietern haben, mit denen man dann auch tatsächlich gute Angebote machen kann für die Südtiroler Bevölkerung - neben dem Landesgesundheitsdienst.

Wie viele Mitglieder haben Sie derzeit?

Derzeit sind wir an die 20 Mitglieder und es werden laufend mehr. Wir bekommen immer neue Anfragen und die werden dann im Verwaltungsrat besprochen und bisher immer genehmigt. Ich denke das wird sich noch weiterentwickeln.

Welche Schritte haben Sie als Genossenschaft seit der Gründung im Mai bereits gesetzt?

Wir haben eine gemeinsame Strategie ausgearbeitet für die Verhandlung mit dem Sanitätsbetrieb und eine gemeinsame Position zum Landesgesundheitsplan ausgearbeitet. Wir haben auch versucht, als SAPS (Genossenschaft der privaten Erbringer von gesundheitlichen Leistungen) unsere Kritikpunkte darzustellen. Bisher habe ich noch kein Feedback bekommen – aber wie es aussieht, werden doch einige unserer Vorschläge übernommen. Das ist schon ein großer Schritt, den man als Einzelner nicht erreicht hätte.

Wir werden nun ein Budget für das nächste Jahr definieren und versuchen, uns auch medial besser darzustellen. Das ist unser Ziel und vor allem möchten wir größer werden, also mehr Mitglieder haben.

Welches sind die nächsten Schritte?

Wir werden mit dem Sanitätsbetrieb die Verträge für die nächsten drei Jahre verhandeln. Diese Verhandlungen haben bereits begonnen. Thomas Schael befürwortet es, dass es nun einen Partner gibt, mit dem man sprechen kann und der die Meinung aller vertritt. Er sieht uns als eine Art Gewerkschaft – auch wenn es keine Gewerkschaft der privaten vertragsgebundenen Anbieter ist.

Wie wird das Südtiroler  Gesundheitswesen aus Ihrer Sicht in den nächsten fünf bis zehn Jahre ausschauen?

Im optimalen Fall wird erkannt, wo das öffentliche Gesundheitssystem zu viel kostet im Verhältnis zum Nutzen, den es bringt und diese Sektoren sollte man an Private und Partner outsourcen. Wir arbeiten bereits seit 60 Jahren in diesem Bereich und haben uns bewährt. Also sollte man als öffentliches Gesundheitssystem versuchen, sich an Partner zu wenden, die ihren Job gut machen.

Ich hoffe, dass nicht nur die Politik, sondern auch die Bevölkerung versteht,  dass es ökonomisch nicht vertretbar ist, Krankenhäuser wie Innichen, Sterzing und Schlanders auf Dauer in öffentlicher Hand zu lassen. Diese Krankenhäuser – sofern man sie erhalten will - sollte man an Privatanbieter auslagern, denn diese können, aufgrund anderer Personalkosten, ganz anderes budgetieren. Und viel weniger Steuergelder verbrauchen.

Und wie werden Sie das plausibel erklären?

Mit der Zeit und mit einer wachsenden Anzahl an Mitgliedern und größerer medialen Präsenz können wir immer besser erklären, dass das öffentliche Gut Gesundheit in öffentlicher Hand bleiben soll, dort wo es ein definiertes Kerngeschäft ist. Das ist die Chirurgie, die Neurologie, die Neurochirurgie, die Herzchirurgie, die Transplantationen, die Infektionsabteilungen – alle ganz wichtigen Themen müssen in einem öffentlichen Gesundheitssystem verwaltet werden und nicht privat wie im amerikanischen System. Damit man dies gewährleisten kann und die Südtiroler nicht - bei einem Problem nach Innsbruck oder Verona gehen müssen, weil sie sich nicht trauen ins Krankenhaus Bozen zu gehen, sollte man Bereiche wie Reha, Geriatrie, Teile der Inneren Medizin, Facharztvisiten und ambulante Leistungen an Private auslagern.

Vielen Dank für das Gespräch!