Sozialgenossenschaft Coccinella reagiert auf große Nachfrage

Seit September 2021 führt Petra Bisaglia die Geschäfte der Sozialgenossenschaft Coccinella in Bozen. Die Genossenschaft bietet Betreuungsplätze für Kinder im Alter von 3 Monaten bis zum Kindergarteneintritt an. Die Nachfrage boomt.

Raiffeisen Nachrichten: In den letzten Monaten hat die Sozialgenossenschaft Coccinella gleich vier neue Kindertagesstätten errichtet. Wie erklären Sie sich die stark gestiegene Nachfrage?

Petra Bisaglia: Das liegt daran, dass wir einige Ausschreibungen gewonnen haben und sicher am dynamischen Führungsteam: Stefan Hofer, Präsident, Manuela Forrer, Vizepräsidentin und ich als Direktorin. Wir sind alles Zugpferde und Macher*innen (lacht). Durch die Familienpolitik des Landes haben viele Südtiroler Gemeinden ein starkes Bewusstsein für die Bedeutung der Kleinkindbetreuung entwickelt. Zudem ist die Anzahl der berufstätigen Frauen in den letzten Jahren gestiegen, auch im ländlichen Bereich. Die Familiensituation vieler hat sich verändert. Nicht immer stehen Großeltern zur Verfügung, so auch bei Familien, die aus anderen Regionen Italiens oder vom Ausland zugezogen sind. Auch Unternehmen setzen vermehrt Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir haben sehr viele Konventionen mit großen Firmen.

Wie viele Kita leitet die Sozialgenossenschaft Coccinella aktuell?

Petra Bisaglia: Insgesamt führen wir derzeit 17 Kita und betreuen 12 Tagesmütter. In den letzten Monaten haben wir vier neue Kita eröffnet: im Oktober 2022 die Kindertagesstätte in Terenten, im Jänner die Kita Gries in Bozen, die Kita in St. Andrä in Brixen folgte im Februar/März und vor kurzem sind wir von Milland in die neue Kita Rosslauf gezogen. Aus der bereits bestehenden Kita haben wir ein Kleinkindzentrum errichtet mit einer betrieblichen Kita und einer Gemeinde-Kita. Und in den meisten Kindertagesstätten der Genossenschaft sind die Plätze für Herbst 2023 bereits ausgebucht.

Welches sind Ihrer Ansicht nach die größten Herausforderungen in diesem Beruf?

Petra Bisaglia: Die Arbeit mit Kindern, egal welcher Altersstufe, ist immer herausfordernd. Oft wird unterschätzt, dass auch Elternarbeit dazugehört. Wir sind ständig im Austausch mit Eltern, hier geht es um eine Erziehungspartnerschaft, und natürlich gibt es auch herausfordernde Familiensituationen, die sich auf die Betreuung auswirken. Gleichzeitig bekommt man aus der Arbeit mit Kindern sehr viel zurück.

Wer unterstützt die Betreuer*innen in schwierigen Situationen?

Petra Bisaglia: Wir haben Pädagog*innen, welche die Kita begleiten. Aktuell sind pro Woche acht Stunden pädagogische Begleitung für eine Kita mit 20 Kindern vorgesehen. An zwei halben Tagen begleiten die pädagogischen Fachkräfte das Team vor Ort, machen Beobachtungen und sind Anlaufstelle für Familien. Zudem können unsere Mitarbeiter*innen 10 Stunden Supervision pro Jahr nutzen, und zwar unabhängig von den aktuell vorgesehenen 35 Weiterbildungsstunden pro Jahr. Das ist viel. Alle Supervisor*innen sind externe Berater*innen. Sie begleiten das Team, stärken es und helfen besondere Situationen aufzuarbeiten. 

Ist Personalmangel im Bereich Kinderbetreuung ein Thema?

Petra Bisaglia: Ja, das ist ein Problem. In diesem Sektor entsteht Personalmangel allein schon aufgrund des Wachstums der Kita-Plätze. In den letzten fünf Jahren ist das explodiert. Und obwohl jedes Jahr zwei Lehrgänge für Kinderbetreuer*innen der deutschen Fachschule und meistens eine der italienischen Fachschule angeboten werden, gibt es zu wenig Absolventinnen und Absolventen, um den Gesamtbedarf zu decken. Auch steigen nicht immer alle in den Beruf ein, sondern machen eine zusätzliche Ausbildung, damit sie im Kindergarten arbeiten können oder beginnen ein Studium. Hinzu kommt die insgesamt höhere Fluktuation im sozialen Bereich. Das liegt sicher auch an der Gehaltssituation. Für die Genossenschaft Coccinella arbeiten aktuell 110 Angestellte, viele davon in Teilzeit, darunter auch drei männliche Erzieher. Schön wäre es, wenn mehr Männer in die Betreuung gehen würden, weil Kinder und Teams davon profitieren.

Worin unterscheidet sich das Angebot der Sozialgenossenschaft Coccinella von anderen Anbietern?

Petra Bisaglia: Das Steckenpferd der Genossenschaft Coccinella ist die Zweisprachigkeit. Seit Jahren leben wir dieses pädagogische Konzept mit Erfolg: all unsere Dienste, auch der Tagesablauf, sind zweisprachig, mit Fachkräften der jeweiligen Muttersprache. Die Vorteile der Zweisprachigkeit in diesem Alter sind enorm. Wir sehen, dass die Kinder nach drei Jahren einen guten Bezug zur 2. Sprache haben, sie verstehen sie und sprechen sie teilweise schon. Dass diese Art von Zweisprachigkeit im Schulsystem nicht weitergeführt wird, ist eine andere Frage. Da braucht es sicher vielfältigere Lösungen. Aber wir als private Genossenschaft haben da sicherlich andere Möglichkeiten.

Auch als lokaler Arbeitgeber heben wir uns, etwa von den größeren Playern ab, die von außerhalb der Provinz nach Südtirol kommen. Die Bindung zu den Menschen, die für uns arbeiten ist uns wichtig, daher setzen wir uns für die bestmöglichen Arbeitsbedingungen und Betreuungsstandards ein. Da haben wir in den letzten Jahren sehr viel investiert. Wenn wir diese Stärke verlieren, dann sind wir austauschbar mit anderen Anbietern. Und das sollte nicht sein.

Wie wird sich der Bereich Kinderbetreuung in Südtirol weiterentwickeln?

Wichtig wäre, dass jede Familie, die einen Betreuungsplatz braucht, auch einen bekommt. Das ist aktuell nicht so, und zwar trotz der großen Aufbauarbeit und der Erweiterung in diesem Sektor. Noch immer gibt es Orte, wo es weder Tagesmütter noch Kita gibt. Auch mehr Zweisprachigkeit sollte gelebt werden. Und schließlich wünsche ich mir, dass sich die Arbeitskonditionen für die Angestellten in unserem Bereich verbessern. Da konnten wir letzthin zwar, dank der Lohnerhöhungen, stark nachbessern, aber es gibt immer noch Verbesserungsbedarf. 

Vielen Dank für das Gespräch!

FAQ

Ab welchem Alter dürfen Kinder in die Kita?

Das Eintrittsalter der Kinder liegt laut Gesetz bei drei Monaten. Die meisten Kinder beginnen zwischen neun und zehn Monaten mit der Eingewöhnung. Derzeit werden in den Kleinkindbetreuungsdiensten viele neue Kinder eingewöhnt.

Wie läuft die Eingewöhnungsphase ab?

Die Eingewöhnungen dauern mindestens zwei bis drei Wochen. Die Kinder werden behutsam in die Kita-Gruppe eingewöhnt. Die Genossenschaft arbeitet nach dem „Berliner Eingewöhnungsmodell“, Dabei werden die Kinder und die Erwachsenen von den pädagogischen Fachkräften begleitet.

Wie viel bezahlt eine Familie pro Betreuungsplatz?

Maximal 3,65 Euro pro Stunde, MwSt. inbegriffen, unabhängig vom Dienst. Bei Tagesmüttern und in der Gemeinde-Kita kann, im Falle einer besondere finanziellen und familiären Vermögenssituation, um einen günstigeren Tarif (zwischen 90 Cent und 3,65 Euro) beim Sozialsprengel vor Ort angesucht werden. Sehr viele Familien bezahlen den vollen Tarif.

Wie flexibel sind die Betreuungszeiten?

Die privaten Kleinkindertagesstätten sind sehr flexibel. Flexibilität bewegt sich immer im Rahmen einer Basis-Stabilität. Das ist wichtig für Kinder und Familien. Die Kita öffnen um 7.30 und halten im Schnitt bis 17.00 Uhr offen, manche auch länger. In dieser Zeitspanne können die Familien die notwendige Betreuungszeit buchen. Dabei gibt es unterschiedliche Modelle: Halbtagsbetreuung, Vollzeitbetreuung oder gemischte Modelle, abhängig von der Berufstätigkeit der Eltern. Das wird vorab im Betreuungsvertrag festgelegt. In Ausnahmesituationen gibt es auch Abweichungen oder Turnusverträge. Der Betreuungsvertrag kann geändert werden, wenn sich die Umstände ändern.

Wie hoch ist der Betreuungsschlüssel?

Der Betreuungsschlüssel liegt bei 1:5: also eine Betreuer*in pro fünf Kindern.