Auf einer Pressekonferenz am Sitz des Genossenschaftsverbandes Coopbund stellte die Beobachtungsstelle des Paritätischen Komitees für Sozialgenossenschaften (PKSG) die dazu erhobenen Daten vor. Das Paritätische Komitee für Sozialgenossenschaften setzt sich aus den Genossenschaftsverbände (Coopbund Alto Adige Südtirol, AGCI Alto Adige Südtirol und Raiffeisenverband Südtirol) und den Gewerkschaften zusammen und hat die Daten zu den in Südtirol tätigen Sozialgenossenschaften ausgewertet. Es handelt sich um sehr aussagekräftige Informationen, die den Gesundheitszustand jenes Sektors beleuchten. der wesentliche Dienstleistungen für die Gesellschaft erbringt und daher eine strategische Schlüsselrolle einnimmt.
Vizedirektor des Raiffeisenverbandes Südtirol, Christian Tanner betont: „Aus den veröffentlichten Zahlen geht klar hervor, dass Sozialgenossenschaften von großer volkswirtschaftlicher und gesellschaftlicher Bedeutung sind. Es handelt sich um einen Bereich mit viel weiblicher Beschäftigung, einer Vielzahl von Teilzeitbeschäftigung und guten Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf.“ Die Zahlen der Erhebung zeigen außerdem, dass von Menschen für Menschen gearbeitet wird. Die Anzahl der Beschäftigten ist auch in wirtschaftlich nicht so rosigen Zeiten angewachsen.
Die Rolle der Sozialgenossenschaften in der Südtiroler Gesellschaft
In Südtirol kommt den Sozialgenossenschaften des Typs B eine entscheidende Funktion bei der Eingliederung von behinderten oder benachteiligten Personen in die Arbeitswelt zu. Auf dem Arbeitsmarkt bieten diese Unternehmen jedem die Möglichkeit, sich – vor allem durch berufliche Entfaltung in einem geschützten und menschenfreundlichen Umfeld – aktiv in die Gesellschaft einzubringen. Sie stellen somit eine wichtige Grundlage für die Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten für eine gefährdete Bevölkerungsschicht dar.
Sozialgenossenschaften des Typs A erbringen Leistungen im sozio-sanitären, im sozialpädagogischen und im didaktischen Bereich. Sie erfüllen konkrete, alltägliche Bedürfnisse einer breiten Bevölkerungsschicht. Neben den geschützten Werkstätten für schwer behinderte Personen sind hier die Kinderbetreuungsgenossenschaften und die Sozialgenossenschaften zu erwähnen, die – engmaschig im Land verteilt – kontinuierlich Gesundheits- und Sozialdienstleistungen erbringen.
Die erhobenen und entsprechend ausgewerteten Daten vermitteln ein aussagekräftiges Bild über den Zustand des gesamten Bereichs und stellen eine wichtige Grundlage dar, um Bedürfnisse herauszuarbeiten und kritische Punkte aufzuzeigen, damit fundierte und konkrete Vorschläge und Initiativen zur weiteren Stärkung der sozialen Kooperation in Südtirol abgeleitet werden können und damit ausgemacht werden kann, auf welche Themen und Bereiche sich in nächster Zukunft die Verbesserungsmaßnahmen konzentrieren sollen.
Die Situation des sozialen Genossenschaftswesens
2023 konnten die Genossenschaften dank Einführung des territorialen Lohnelements auf eine Lohnerhöhung zählen. Dieser einerseits im Hinblick auf die Anerkennung der Beschäftigten sehr positive Umstand bedeutet andererseits aber auch einen erheblichen Kostenanstieg für die Genossenschaften.
Im Jahr 2022 wurden am Verhandlungstisch intensive Unterredungen mit den Gewerkschaften geführt, aus denen im März und dann im September dieses Jahres ein Landeszusatzvertrag betreffend die wirtschaftlichen und normativen Bedingungen hervorgegangen ist. Die Verhandlungen wurden in einer Atmosphäre des Vertrauens und des gegenseitigen Respekts geführt und waren geprägt von einer ausgezeichneten Zusammenarbeit zwischen den Arbeitgeber- und den Gewerkschaftsorganisationen.
Die Gewerkschaften haben sich in die Lage der Genossenschaften versetzt und sich angeboten, um zur Lösung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten beizutragen. Die tatkräftige Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften hat auch zu gemeinsamen Adhoc-Lösungen für in Schwierigkeiten geratene Sozialgenossenschaften geführt, wobei immer deutlicher wurde, wie wichtig es ist, dass die Vergabestellen die Preise der laufenden Verträge anpassen, damit die Genossenschaften die gestiegenen Löhne ihrer Beschäftigten stemmen können.
Sozialgenossenschaften gebührt mehr Aufmerksamkeit
Alex Baldo, Vorsitzender des Paritätischen Komitee der Sozialgenossenschaften (PKSG), zeigt sich besorgt über die wirtschaftliche Lage der Unternehmen des Sektors: Den Sozialgenossenschaften gebührt Aufmerksamkeit und Unterstützung seitens der öffentlichen Hand, insbesondere bei der Vergabe von Leistungen von öffentlichem Interesse an die Genossenschaften sowie allgemein im Vergabewesen, wobei das vorrangige und positive Ziel darin bestehen muss, die Qualität der erbrachten Leistungen zu gewährleisten.
In Bezug auf die Lohnerhöhungen im Jahr 2023 stellt er mit Genugtuung fest, dass diese das Ergebnis einer erfolgreichen gemeinsamen Verhandlung sind. Das erfreuliche Ergebnis komme den vielen Beschäftigten dieses strategischen Bereichs im sozialen Gefüge unseres Landes zugute. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass sich Lohnerhöhungen auf die Kosten der Unternehmen auswirken und wirtschaftliche Schwierigkeiten nach sich ziehen. Die Genossenschaften müssen gezielt unterstützt werden, und zwar nicht nur durch die Gewährung öffentlicher Zuschüsse, die ebenfalls überaus wertvoll sind, sondern auch durch eine angemessene Anerkennung der Vergabestellen sowohl bei den laufenden Ausschreibungen als auch – klar und überzeugend – bei jenen, die in Zukunft folgen werden.
Verbandsvizedirektor Christian Tanner ergänzt: "Die Bedeutung und der Stellenwert der Sozialgenossenschaften gewinnt zwar immer mehr an Bedeutung, dennoch muss auch die Politik die Aufwertung von Sozialgenossenschaften intensiver vorantreiben, zum Wohle aller." Ihm zufolge gelte es das Image der Sozialgenossenschaften zu verbessern, da sie Tätigkeitsfelder abdecken, welche die öffentliche Verwaltung nicht abdecken kann oder will und wo auch viele private Unternehmer kein Interesse daran haben. Die Gesellschaft hat viele Fragen, Sozialgenossenschaften haben oft die Antwort.