Sozialgenossenschaften: laufende Verhandlungen um die Verteilung der Hilfsgelder

Geschäfte, Bars und Restaurants sind wieder offen, Menschen aus dem Homeoffice an ihrem Arbeitsplatz zurückgekehrt: vieles deutet darauf hin, dass die Coronakrise abgeklungen ist. Nur die Verhandlungen um die Verteilung der Hilfsgelder halten an, vor allem im sozialen Bereich sind noch wichtige Details offen.

Die Südtiroler Genossenschaftsverbände (AGCI - COOPBUND - COOPERDOLOMITIRAIFFEISENVERBAND SÜDTIROL) verhandeln derzeit mit der Familienagentur der Provinz Bozen. Es geht um Geld für die Sozialgenossenschaften im Bereich der Kleinkindbetreuung, die bereits kurz nach dem Lockdown ihre Dienste wieder aufgenommen haben, um Familien und arbeitenden Eltern entgegenzukommen. Allerdings unter anderen Bedingungen als vorher.

Die Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz vor Ausbreitung des Coronavirus verlangen nicht nur häufiges Händewaschen und Desinfizieren, Mund- und Nasenschutz, sondern auch neue Betreuungsstandards: kleine Gruppen, andere Raumaufteilung. Aufgrund der vorgeschriebenen Kinderanzahl pro Gruppe, können die Genossenschaften nicht mehr so viele Kinder annehmen. Zudem haben viele Eltern aus Unsicherheit ihre Kinder gar nicht mehr in die Betreuung geschickt. Das heißt, dass der Dienst der Sozialgenossenschaften schon seit Wochen in vollem Umfang läuft, trotz erheblicher Mehrkosten bei gleichzeitig geringerer Finanzierung. Mittlerweile sind auch die Sommerprojekte der Kleinkindbetreuungsdienste gestartet. Tagesmutterdienste, Kleinkindertagesstätten, Betriebstagesstätten – sie alle spüren den finanziellen Druck. Ohne Kredite aus dem Soforthilfepaket könnten viele ihre finanziellen Engpässe nicht überbrücken. Da kommt es gelegen, dass inzwischen mit der Landesregierung zumindest für die Schließungszeit und die Finanzierung der fehlenden Einnahmen bei der Wiedereröffnung eine gute Lösung gefunden werden konnte.

Sozialgenossenschaften des Typs B

Am stärksten betroffen von der Krise bleiben jedoch die Sozialgenossenschaften des Typs B für Arbeitsintegration in unterschiedlichen Bereichen wie Gastronomie, Gartenpflege oder Handwerk. Die bisherigen Förderungen für die Arbeitseingliederungsprojekte und der bereits genehmigte außerordentliche Mietbeitrag von 50 Prozent, können die fehlenden Umsätze durch die allgemein gesunkene Konsumnachfrage, vor allem in der Gastronomie, nicht auffangen. Für die Genossenschaften des Typs B braucht es deshalb weitere finanzielle Unterstützung.

Sozialdienste: wichtig für Wirtschaft

Dass die Frage der Finanzierung so lange dauert, zeigt, dass der Bereich der Sozialdienste komplex ist. Es zeigt aber auch, dass das Bewusstsein um die Bedeutung von sozialen Diensten für das Wirtschaftssystem in Südtirol wenig ausgeprägt ist.

Das Thema ist aktuell und betrifft ein gesamtgesellschaftliches Problem, sagt Petra Bisaglia, Mitgliederbetreuerin für Sozialgenossenschaften beim Raiffeisenverband, im Interview. Aus ihrer Sicht erkennen viele Menschen noch nicht den Zusammenhang zwischen einer flächendeckenden Kinderbetreuung und dem Wohlstand der gesamten Gesellschaft in einem Land. „Es ist längst nachgewiesen, dass ein Gebiet nur dann reich ist, wenn die sozialen Dienste gut aufgestellt sind.“ Zu den sozialen Diensten zählen nicht nur Kinderbetreuung, sondern auch Seniorenbetreuung, Arbeitsintegration und Tagesstätten für Menschen mit Behinderung. Petra Bisaglia: „Die Systeme müssen sich gegenseitig stützen und als Pakete gesehen werden. Daher zählen Betriebstagesstätten zwingend zur Wirtschaft dazu.“ Funktionieren die Sozialdienste gut, können beide Elternteile arbeiten gehen. Wenn nicht, geben vor allem Frauen ihren Arbeitsplatz auf, um zu Hause zu bleiben.

Positive Entwicklung im Start-up-Bereich

Gründerinnen und Gründer haben sich durch die Covid-19-Krise nicht bremsen lassen. „Projekte, die Ende des vergangenen Jahres hereingekommen sind, werden in der zweiten Jahreshälfte starten. Das ist positiv“, sagt Petra Bisaglia. Es sind Projekte aus verschiedenen Bereichen. Besonders vielversprechend sei ein Projekt im Rahmen der sozialen Landwirtschaft für Gemüseanbau mit Arbeitseingliederung. Ein weiteres Projekt bietet Schule am Bauernhof an und konzentriert sich dabei auf die Begleitung von Schülern mit besonderen Bedürfnissen.