Südtiroler Sozialgenossenschaften: Vorbild für Deutschland

Wenn Andreas Wieg, Abteilungsleiter beim Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband, und Christian Marschler, ehemaliger R+V-Vorstand, nach Bozen kommen, geht es um Genossenschaften. Bei einem kürzlichem Treffen in Bozen standen die Sozialgenossenschaften im Mittelpunkt.

In Italien haben Sozialgenossenschaften eine lange Tradition. Auch in Südtirol sind Sozialgenossenschaften nicht mehrwegzudenken: sie bieten soziale Dienstleistungen und fördern die Integration von benachteiligten Menschen. Sie arbeiten im Bereich der Pflege, sowie in den Bereichen der sozialen, sozio-sanitären und der erzieherischen Dienste. Immer da, wo sich die öffentliche Hand zurückzieht, eröffnet sich ein Feld für Sozialgenossenschaften. Dies ist auch in Deutschland der Fall, auch dort sind die Folgen der alternden Gesellschaft spürbar. Auch dort verschwinden wichtige Einrichtungen des Alltags und Bund, Länder und Gemeinden ziehen sich – oft aus Kostengründen - von Diensten sich zurück. In Deutschland jedoch engagieren sich vor allem kirchliche Organisationen und Vereine in diesem Bereich. Sozialgenossenschaften gibt es kaum.

Warum das so ist haben die beiden Genossenschaftsvertreter aus Deutschland, Andreas Wieg, Abteilungsleiter beim Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband, und Christian Marschler, ehemaliger R+V-Vorstand, nun herausgefunden. Denn nach den ausführlichen Präsentationen von Petra Bisaglia, Mitgliederbetreuerin für Soziales & Non-Profitund Karl Heinz Weger, Stabstelle Unternehmensentwicklung im Raiffeisenverband Südtirol, wissen sie nun, wie Sozialgenossenschaften in Südtirol funktionieren: von der Gründung, über die Arten von Sozialgenossenschaften, die Anzahl der Genossenschaften im Land, die rechtlichen Grundlagen, die Einsatzmöglichkeiten, bis hin zu den Voraussetzung, die es braucht um in Südtirol eine Sozialgenossenschaft zu gründen und die aktuelle Situation. Auch über die Möglichkeiten der Finanzierung wurde gesprochen und festgestellt, dass es in Südtirol alternative Finanzierungsmöglichkeiten für Sozialgenossenschaften gibt. So stellt beispielsweise die Raiffeisenkasse Bozen mit dem „Förderkonto Sonne“ allen Sozialgenossenschaften ein Paket mit besonders günstigen Zahlungskonditionen bereit.

Auch in steuerlicher Hinsicht genießen die Sozialgenossenschaften in Südtirol/Italien große Vorteile: Sie fassen in Südtirol und Italien eher Fuß, weil es hier eine ganz andere Förderlandschaft gibt als in Deutschland. Bisaglia: „Sozialgenossenschaften haben in Italien steuerrechtliche Begünstigungen, die derzeit in Deutschland gar nicht möglich sind“, so die Mitgliederbetreuerin für Soziales beim Raiffeisenverband Südtirol.

Die Zahlen zeigen ebenfalls, dass diese Unternehmensform in Italien einen ganz anderen Stellenwert genießt: 24.000 Sozialgenossenschaften gibt es mittlerweile in Italien, in Südtirol im Moment 243. Tendenz steigend: Jährlich kommen zwischen drei und vier Prozent dazu: „Damit haben wir italienweit schon mehr Neugründungen bei Sozialgenossenschaften, als in Deutschland Neugründungen insgesamt“, unterstreicht Bisaglia. Der Ländervergleich zeigt, dass in Deutschland Genossenschaften vor allem in ursprünglichen Bereich wie Landwirtschaft, Banken und Energie tätig sind. Bereiche in denen es jedoch nicht mehr so viele Neugründungen gibt.

Für die Genossenschafter aus Deutschland ist es deshalb naheliegend, die gut funktionierende Landschaft der Sozialgenossenschaften einmal genauer anzusehen. Sie orten eine großes Entwicklungspotential für diese Unternehmensform in Deutschland.