... und: Action! 200 Jahre Friedrich Wilhelm Raiffeisen

2018 jährt sich der 200. Geburtstag des Friedrich Wilhelm Raiffeisen. Kürzlich wurden in Österreich die Dreharbeiten für eine Dokumentation über den Genossenschaftsgründer für das Jubiläumsjahr abgeschlossen.

Die Raiffeisenzeitung Österreich hat hinter die Kulissen geblickt und mit der Produzentin Iris Haschek und der Regisseurin Mena Scheuba in Gespräch geführt.

Gießhübl, Wienerwald. Am Filmset der Schauspieler des Jahres 2015, Burgschauspieler Markus Meyer, der Kameramann der Vorstadtweiber, Marco Zimprich, und die Kostümbildnerinnen von "Knight and Day" und auch des letzten James Bond-Drehs in Österreich, Zizi Bohrer-Lehner und Uschi Heinzl. Auch die Maskenbildnerin von vielen internationalen Projekten, etwa der Verfilmung von La Bohème mit Anna Netrebko und Rolando Villazón, Hannelore Uhrmacher, ist mit dabei.

Gedreht wird aber nicht der nächste James Bond oder die nächste Staffel der Vorstadtweiber, sondern eine aufwendige TV-Spiel-Dokumentation über Friedrich Wilhelm Raiffeisen, die im Jubiläumsjahr 2018 in mehreren europäischen Ländern ausgestrahlt wird und bei der der Österreichische Raiffeisenverband (ÖRV) einer der Co-Produzenten ist.

Anfang Juli hat die Wiener Filmproduktion inspiris-Film unter der Leitung von Iris Haschek mit den Dreharbeiten begonnen, nun sind sie so gut wie abgeschlossen. Aufgenommen wurde teils an Originalschauplätzen in Deutschland, aus technischen und logistischen Gründen aber auch in einem historischen Anwesen nahe Wien. Wir sprachen mit der Produzentin Iris Haschek und der Regisseurin Mena Scheuba.

Wie ist es zu diesem Projekt gekommen?

Iris Haschek: Unser dramaturgischer Berater Golli Marboe hat uns anlässlich des bevorstehenden 200. Geburtstages von Friedrich Wilhelm Raiffeisen auf dieses Projekt gebracht. Da Raiffeisen als Person nicht so bekannt ist, wie er sein sollte, hatten wir die Idee, eine Spiel-Dokumentation zu machen, in der sein Leben mit den geschichtlichen Ereignissen seiner Zeit und der Entwicklung des Genossenschaftswesens in Zusammenhang gebracht wird. Uns ist immer wichtig, für unsere Produktionen Themen mit zweiten Ebenen zu wählen - also nicht nur eine Lebensgeschichte zu erzählen, sondern -wie im aktuellen Film -auch auf die genossenschaftliche Idee einzugehen.

Wer sind Ihre Produktions-Partner?

Haschek: Unsere Partner, die auch inhaltlich mitarbeiten, sind die Internationale Raiffeisenunion IRU, ORF 3 und ORF NÖ, das Schweizer Fernsehen und das Bundesministerium für Bildung -was uns besonders freut, weil damit der Film auch im Unterricht gezeigt werden kann. Wir sind auch im Gespräch mit weiteren Partnern, die den Film lizenzieren und dann senden werden, zum Beispiel die Deutsche Welle, ZDF Info oder RAI Südtirol.

Mena Scheuba: Es war mir klar, dass es hinter der Idee auch den Menschen Raiffeisen gibt, über ihn weiß man aber wenig. Mich hat gereizt, eben über diese historische Persönlichkeit Friedrich Wilhelm Raiffeisen Themen von heute, die für die Gesellschaft relevant sind, zu transportieren. Zudem habe ich die Kombination aus Dokumentation und Spielfilm sehr gerne, vor allem bei Themen, die sich einem nicht sofort erschließen -wie das eben bei Genossenschaften der Fall ist. Wenn ich ein sperriges Thema aber mit einer emotionalen Geschichte verbinden kann, dann hören die Menschen auch zu.

Welche Geschichte wird im Film erzählt?

Scheuba: Der Schlüssel ist Amalie, die Tochter von Raiffeisen. In der Beziehung von Vater und Tochter liegt das emotional und persönlich spannende Element des Films. Damit erschließt sich dem Zuseher auch die Persönlichkeit von Friedrich Wilhelm Raiffeisen. Amalie war an seiner Seite, sein ganzes Leben lang. Und ohne sie hätte er das alles niemals zustande bringen können -auch aufgrund seiner Augenkrankheit. Wir erzählen also eigentlich die Geschichte von zwei Menschen, von Amalie Raiffeisen und von ihrem Vater Friedrich Wilhelm. Deren Verhältnis zueinander ist wirklich sehr berührend und der Anker für den Film.

Und von dieser zwischenmenschlichen Geschichte ausgehend beschäftigen Sie sich dann mit der Geschichte der Genossenschaftsidee?

Scheuba: Ja -wobei Raiffeisen hat ja nicht die Genossenschaft erfunden. Genossenschaft gibt es seit Menschengedenken, denn Kooperation ist eines der wesentlichsten Elemente des menschlichen Zusammenlebens. Raiffeisen hat ein bestimmtes Modell entwickelt, wie Genossenschaft für eine Gruppe, zunächst für die Bauern, funktionieren kann. Er hat mit seinen Schriften quasi eine Anleitung dazu gegeben.Mich hat fasziniert, dass dieses genossenschaftliche Prinzip nach dem System Raiffeisen heute weltweit verbreitet ist und fast eine Milliarde Menschen Teil davon ist. Das hab ich nicht gewusst. Wir leben heute in einer seltsamen Umbruchszeit. Auf der einen Seite sind wir auf unsere kleinen Einheiten beschränkt, auf der anderen Seite sind wir global ausgerichtet. Daraus entsteht Verunsicherung. Und ich hab mich gefragt, was das Modell der Genossenschaft hier an Lösungen anzubieten hat und wie es dazu beitragen kann, die Gesellschaft zum Positiven weiterzuentwickeln.

Was meinen Sie konkret damit?

Scheuba: In dem Augenblick, wo sich Menschen mit konkreten Projekten in ihrem eigenen Umfeld beschäftigen, passieren plötzlich ganz viele Prozesse, die mit dem eigentlichen Projekt gar nichts zu tun haben. Man lernt zu reden, zu kooperieren, miteinander umzugehen, auch einmal zu streiten und man lernt demokratische Prinzipien. Gerade dieses demokratische Element hat ein gesellschaftsveränderndes Potenzial. Genossenschaft macht einfach Sinn -was jetzt nicht sozialromantisch klingen soll: Genossenschaft ist ein Wirtschaftsmodell, eine Rechtsform, die unter bestimmten Umständen einfach vernünftig ist.

Die Frage der Kooperation ist für mich sehr spannend, weil sie heute sehr ambivalent zu sehen ist. Zum einen nehmen wir über soziale Medien an allem Anteil und haben das Gefühl, überall dabei zu sein. Gleichzeitig befinden wir uns in einer Zeit, in der Individualismus, Ich-AGs, Selbstoptimierung und Leistungsprinzip großgeschrieben werden. Ich glaube aber, dass dieser Trend langsam zurückgeht und man erkennt, dass man als Gruppe mehr weiterbringt, als wenn jeder für sich selbst agiert.

Was hat Sie überrascht bei diesem Projekt?

Scheuba: Wie relevant die genossenschaftliche Idee heute noch ist und das Potenzial, das sie hat. Mich hat auch überrascht, wo überall es Genossenschaften gibt und die Vielfältigkeit der Projekte -zum einen bei uns in Europa, von der Energiegenossenschaft bis zur Schülergenossenschaft, aber auch die genossenschaftliche Hilfe zur Selbsthilfe in den Entwicklungsländern. Damit zeigen wir im Film auch, wie Genossenschaft heute funktioniert. Ich war wirklich überrascht, wie modern und zukunftsträchtig Genossenschaft ist, in vielerlei Hinsicht.

Was war die größte Herausforderung für Sie?

Scheuba: Das werde ich jetzt sehen, wenn ich die Spielszenen und alle zwölf Interviewpartner auf eine Länge von 45 Minuten schneiden muss. Das alles unter einen Hut zu bringen, dabei allen gerecht zu werden und auch die eigene Idee noch umzusetzen wird sicher eine große Herausforderung.

Welche Botschaft über Raiffeisen soll der Film den Zusehern mitgeben?

Scheuba: Es wäre sehr schön, wenn bei den Zusehern ein Gefühl zurückbleibt, dass es Möglichkeiten gibt, wie man einen Unterschied machen kann. Auf Englisch sagt man: "To make a difference" - das meine ich: Jeder Einzelne von uns ist wichtig und kann etwas bewirken, wenn er will. Dazu muss er nicht unbedingt gleich ein großer Sozialreformer wie Raiffeisen sein.

Und wann wird der Film zu sehen sein?

Haschek: Genau kann man das noch nicht sagen. Die Ausstrahlungstermine werden derzeit mit den Partnern abgestimmt. Der Geburtstag von Friedrich Wilhelm Raiffeisen ist am 30. März, ich gehe also davon aus, dass einer der ersten Sendetermine rund um dieses Datum stattfinden wird.