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Die Vertreibung aus dem (Steuer-)Paradies

2018 soll weltweit endgültig Schluss sein - mit der Steuerhinterziehung bei nicht deklariertem Vermögen im In- und Ausland. Die neue Gesetzeslage bietet die Möglichkeit der Selbstanzeige, der so genannten "Voluntary Disclosure". Vor einer Informations-Großtagung am Freitag in Bozen spricht Finanzfachmann Michael Atzwanger von der AlpenBank in Bozen über ein gleichermaßen komplexes wie delikates Finanzfeld.

Herr Dr. Atzwanger, nicht erst seit dem „Fall Ulli Hoeneß“  ist der Begriff der Selbstanzeige auch in Südtirol ein Begriff geworden. Was heißt „Selbstanzeige“ konkret?

Jeder Bürger, der nicht deklariertes Vermögen im Inland oder im Ausland gehortet hat, kann mit den neuen Bestimmungen die gesetzliche Pflicht, dieses Vermögen dem italienischen Staat zu deklarieren, nachholen, sowie eventuell geschuldete Steuern auf diese Vermögen nachzahlen, um großzügige Strafnachlässe zu erhalten. Nicht deklariertes Auslandsvermögen sind z. B. Konten, Investments, Immobilien oder Kunstgegenstände, die im Ausland gehalten werden und welche bis heute nicht in der eigenen Steuererklärung („Quadro RW“) angegeben wurden. Bei inländischem nicht deklariertem Vermögen  handelt sich meist um Schwarzgeld, welches liquide in Banksafes oder zu Hause versteckt wird.

Habe ich mich nach italienischem Recht bereits durch die Nichterklärung strafbar gemacht?

Für einen italienischen Staatsbürger und Steuerzahler ist allein schon die Nicht-Erklärung dieser Vermögen in der Steuererklärung strafbar. Weiter ist es strafbar, die Steuern auf eventuell angefallene Gewinne auf diese Vermögenswerte nicht zu entrichten. Durch die Nicht-Erklärung der Vermögenswerte weiß der Staat nicht, ob und wann eventuelle Gewinne anfallen, um diese besteuern zu können. Italienische Steuerzahler werden vom italienischen Staat auf ihr weltweites Einkommen jeglicher Art besteuert. Demnach wird Steuerflucht im Ausland geahndet. Wer keine Selbstanzeige macht, riskiert ab dem 1. Oktober 2015 drakonische Strafen.

Besteht diese Besteuerungspflicht von ausländischem Vermögen im europäischen Ausland und eine diesbezügliche Gefahr einer Steuerflucht, beispielsweise in Deutschland, genauso?

Dazu muss ich etwas ausholen. Auf dem Gebiet der Steuerflucht hat sich auf Drängen der USA hin zuletzt viel getan. Der amerikanische Staat war es sozusagen leid, dass US-Bürger auf der ganzen Welt Vermögen hielten ohne Steuern zu zahlen. Auch die USA besteuern die eigenen Bürger auf deren weltweitem Einkommen. Mit der Androhung, die Geschäfte auf US-Gebiet komplett zu blockieren, wandte sich die US-Regierung zuerst an Schweizer Banken, wo viele amerikanische Bürger unbesteuertes Vermögen hielten, und verlangten alle Vermögenswerte von US-Bürgern offen zu legen. UBS, Credit Suisse u.a. fügten sich dem Druck. Daraufhin, mittels dem sog. FATCA-Abkommen (Foreign Account Tax Compliance Act, Anm.d.R), welches mit den meisten Staaten weltweit (darunter Italien) abgeschlossen wurde, wurden alle diese Staaten verpflichtet, das Bankgeheimnis gegenüber der US Einnahmenagentur de facto offenzulegen und den Banken anzuordnen, die Daten zu sammeln und zu übermitteln. Das hat in Europa und weltweit eine Welle losgetreten. Auf OECD-Basis wurde nunmehr in allen OECD Ländern Standards vereinbart, wie ab 2016 bereits bilateral die Daten über Vermögenswerte der jeweiligen Staatsbürger im Ausland untereinander notifiziert werden. 

Was ist der Status quo?

Innerhalb 2018 werden mehr als 90 Staaten weltweit aufgrund des OECD Standards den automatischen Datenaustausch untereinander vornehmen.  D. h. es wird dann fast unmöglich werden, ohne drakonische Strafen zu riskieren, irgendwo auf der Welt noch nicht deklariertes Vermögen zu halten. Außer in jenen Staaten, die nicht den OECD und FATCA Vereinbarungen beigetreten sind – hierbei handelt es sich  jedoch meist um nicht demokratische, politisch instabile Staaten, etwa einige afrikanische Staaten oder Inseln im Pazifik und im Atlantik. Ab 2018 wird es somit keine „Steuer“geheimnisse mehr vor dem italienischen Staat geben. Grundsätzlich kann sich ein Bürger die Idee aus dem Kopf schlagen, dass er irgendwo noch ein nicht deklariertes Vermögen halten kann, ohne entdeckt zu werden.

Wie kommt jetzt die Voluntary Disclosure also die Selbstanzeige ins Spiel? 

Die Voluntary Disclosure ist das einzige zugestandene legale Mittel, die Angelegenheiten wieder „ins Reine“ zu bringen. Es ist deshalb jedem Bürger dringend anzuraten, diese Selbstanzeige zu machen. Wer es nicht tut, bleibt in vielerlei Hinsicht strafbar, erhält bei Entdeckung des Vermögens (durch den Datenaustausch unter Staaten immer wahrscheinlicher) keine Strafnachlässe mehr, und kann das nicht deklarierte Vermögen nicht mehr verwenden ohne Haftstrafen zu riskieren.

Inwiefern?

Ab 1. Januar ist das Gesetz zur Selbstgeldwäsche in Kraft. Das besagt, dass wie auch immer geartete Geldflüsse aus nicht deklariertem Vermögen nicht in den Wirtschaftskreislauf zurückfließen dürfen. Ich kann dann keinen Mitarbeiter oder Handwerker mehr mit Schwarzgeld bezahlen oder diese Summen irgendwie von einer Bank investieren lassen. In jedem dieser Fälle besteht der Strafbestand der Selbstgeldwäsche (für die Bank „Beihilfe“ zur Selbstgeldwäsche), worauf eine Gefängnisstrafe von 2 bis 8 Jahren steht.

War die Praxis der Steuerflucht auf Vermögen bislang in Südtirol ihres Wissens sehr verbreitet?

Sicher kennt man in Südtirol, immerhin eine Grenzregion, dieses Phänomen. Vielfach wurden diese vor allem von den Schweizer Banken diesbezüglich angeregt und unterstützt. Ich habe von Fällen gehört, von Südtiroler Bauern und Handwerkern, die über Schweizer Banken sogar in Panama (!) Trustgesellschaften  gegründet haben, um in der Schweiz Bankkonten zu halten. Über diese nicht-europäische Gesellschaften wurde verhindert, die EU-Quellensteuer (welche seitens der EU der Schweiz aufgezwungen wurde, um mindestens trotz Wahrung des Bankgeheimnisses einiges an Steuergeldern zu erhalten) auf die Vermögen abzuführen. So wurden Gelder im Ausland gehalten, völlig steuerfrei. 

Gilt die Selbstanzeige auch für nicht deklariertes Vermögen im Inland?

Auch das nicht deklarierte Vermögen, welches jemand im Inland hortet, musst mit der Selbstanzeige zur Kenntnis gebracht werden. Etwa Schwarzgeld oder auch z. B. eine nicht eingetragene Immobilie, auf die keine Immobiliensteuer bezahlt wird. 

Können die Banken die Südtiroler bei der Einreichung der Selbstanzeige unterstützen? 

Wir haben als AlpenBank mit einigen Mailänder und Südtiroler Spezialisten eine Art Task Force ins Leben gerufen, an welche sich Steuerberater und Rechtsanwälte hierzulande anschließen können, um gemeinsam mit den Spezialisten eventuelle Selbstanzeigen für die Kundschaft durchzuführen. Die Bank schickt interessierte Bürger zu den eigenen Steuerberatern und Rechtsanwälten, welche dann über die AlpenBank-Spezialisten Hilfe erhalten. Die Bank hilft also nur indirekt, und nur demjenigen, der sich für die Selbstanzeige entschieden hat.

Die neue Gesetzeslage ist seit Anfang des Jahres bekannt und öffentlich. Wieso jetzt eine weitere Tagung zur Selbstanzeige?

Aus mehreren Gründen. Zum einen weil der Sinneswandel beim Thema Steuerbetrug und -flucht in Italien nicht von heute auf morgen passiert. Ab 30. September macht der italienische Staat aber ernst, dann setzt es drakonische Strafen. Wir müssen die Botschaft der Selbstanzeige demnach verstärkt den Bürgern näher bringen. Zum anderen bietet die neue Gesetzeslage für die Banken und Freiberufler eine große Chance, nunmehr deklariertes Vermögen in Zukunft zu verwalten. Wir können strategisch von der neuen Situation profitieren, neue Arbeitsplätze schaffen und die Wirtschaft mit den ca. 200 Milliarden €, welche kolportiert im Ausland liegen und sich nun bewegen werden, ankurbeln. 

Michael Atzwanger ist seit 2010 Vorstand und Geschäftsleiter der AlpenBank AG mit Sitz in Bozen. Der studierte Rechtswissenschaftler war zuvor in der Funktion des Generaldirektors bei Pensplan tätig.