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Marlene Fischer, Sozialgenossenschaft Platzl: „Wohlstand ist nicht Wohlbefinden.“ 

Marlene Fischer kennt fast alle Facetten des sozialen Sektors. Umfangreiche Ausbildungen im Sozialbereich mit Senioren, Jugendlichen, Menschen mit Behinderungen und psychischen Thematiken sowie in der Suchtarbeit sicherten ihr ein vielseitiges Berufsleben. Im Interview zum Tag der Sozialen Berufe spricht sie darüber, wie es ihr gelingt, trotz der vielen Herausforderungen mit Begeisterung und Motivation im sozialen Bereich zu arbeiten. 

Raiffeisen Nachrichten: In welchen sozialen Berufen haben Sie bisher gearbeitet? 

Marlene Fischer: Ich habe 1979 als Altenpflegerin im Altersheim in Neumarkt angefangen. Später wechselte ich in die Hauspflege und war bis 1990 dort tätig. Nebenbei begann ich die Ausbildung zur Behindertenbetreuerin und arbeitete in diesem Bereich. Nach vier Jahren begann ich die berufsbegleitende Ausbildung in der Betreuung von psychisch kranken Menschen. Ich leitete den „Verband Angehöriger und Freunde psychisch Kranker“in Bozen und spezialisierte mich auf die Themen Alkoholsucht und Sucht. Nach zehn Jahren in einem Schülerheim für Jugendliche begann ich einen Lehrgang für Management in sozialen Strukturen. Ab 2007 bis zu meiner Pensionierung im Jahr 2021 führte ich den Inklusionsbetrieb Café Prossliner in Auer für die Lebenshilfe ONLUS. Aufgrund des Pflegekräftemangels während der Corona-Zeit bin ich eingesprungen und habe die Leitung der Sozialgenossenschaft Platzl übernommen. Im Jänner 2025 habe ich die Führung an eine Nachfolgerin abgegeben – doch da sie ist inzwischen abgesprungen ist, werde ich vermutlich mit März 2025 wieder einspringen (lacht).  

Sie blicken auf eine beeindruckend vielseitige Berufserfahrung zurück. Was motiviert Sie, immer wieder neue Aufgaben im sozialen Bereich zu übernehmen? 

Flexibilität war immer schon eine meiner Stärken, und ich liebe es, immer wieder Neues zu beginnen. Menschen faszinieren mich. Für mich ist es eine Freude, mit Menschen zu arbeiten, andere interessieren sich eher für Technik oder Zahlen. Es ist nicht das Helfersyndrom, das mich antreibt – ich habe das mehrfach testen lassen. Oft ist es so, dass Menschen, die im sozialen Bereich arbeiten, von ihren eigenen Erfahrungen oder dem familiären Umfeld geprägt sind. In meinem Fall war es sicher mein Vater, der 42 Jahre lang im Rollstuhl war und mir seinen Optimismus und die Freude am Leben vererbte. Manchmal geht es auch um ein Schlüsselerlebnis, das den Weg weist.  

Ich denke, es ist auch die Lebenseinstellung. Selbst in schwierigen Zeiten, etwa während meiner Scheidung 1985 oder als alleinerziehende Mutter, habe ich mit Menschen gearbeitet, denen es noch schlechter ging als mir. Jeden Tag fühlte ich Dankbarkeit dafür, dass ich gesund war und arbeiten konnte. Für mich war Arbeit immer ein Geschenk und kein Muss – das ist bis heute so. Diese Haltung hat mich durch die Jahre getragen. 

Welche Herausforderungen sehen Sie im Bereich der sozialen Berufe?  

Neben all den bekannten Gründen sehe ich momentan vor allem die Bürokratie als große Herausforderung. Der administrative Aufwand hat enorm zugenommen: Früher, als ich noch als Altenpflegerin arbeitete, konnte mich z.B. eine Klientin noch den ganzen Vormittag begleiten, indem sie einfach im Auto saß und von dort aus Menschen beobachtete. Heute sind diese Aktionen aufgrund von Versicherungs- und Sicherheitsvorschriften aber auch aus verwaltungstechnischen Gründen verboten. In der Hausassistenz (Hauspflege) braucht es mittlerweile mehrere verschiedene Fachkräfte für Aufgaben, die früher von einer Person erledigt wurden: eine Krankenpflegerin für den pflegerischen Bereich, eine Sozialbetreuerin für die Hygiene der Person, eine Reinigungskraft zum Putzen und den Freiwilligen der das Essen auf Rädern bringt. Diesen Dienst in Anspruch nehmen zu dürfen, müssen unzählige Ansuchen gestellt werden. Ganz zu schweigen von den Patronatsgängen, die damit verbunden sind, dessen Schwierigkeiten meist schon bei den Vormerkungen beginnen.  

Die Digitalisierung, die uns umgibt, ist für sozialschwächere oder ältere Menschen, nicht menschenwürdig. Ich traue mich schon zu sagen, dass sie an Diskriminierung grenzt. Denken wir nur an eine simple Vormerkung im Krankenhaus für eine Visite, eine Online-Vormerkung oder denken Sie an die Ausstellung einer elektronischer Identitätskarte bei Parkinson… sowie ein simpler Rabatt in Geschäften, die ein Einsteigen auf ihrer Homepage vorsieht….   

Was ist Ihrer Meinung nach das Hauptproblem dabei? 

Der ganzheitliche Denkansatz sollte wieder in den Mittelpunkt rücken, bzw. der bedürftige Mensch sollte im Mittelpunkt stehen. Die Frage sollte sein: Was braucht es, um den bedürftigen Menschen die nötige menschenwürdige notwendige aber auch bezahlbare Hilfe zu garantieren? Bei Mitarbeitern ist es vielfach so, dass die Kompetenzüberschreitungen und die Frage nach der Verantwortlichkeit immer wieder Themen sind. Das führt unweigerlich zum Qualitätsverlust innerhalb der sozialen Arbeit, wenn diese Themen nicht klar in Rahmenbedingungen verankert sind. 

Eine Sozialbetreuerin darf z.B. auch nach einer Nachschulung - intramuskuläre Injektionen verabreichen, wenn sie dazu außerhalb der regulären Arbeitszeiten der Krankenpfleger, beauftragt wird. Dasselbe gilt für das Herrichten der Medikamente. In der Regel sind die Sozialbetreuer dafür nicht ausgebildet – (wird meist so interpretiert) jedoch bei einem Mangel an Krankenpflegern, kann die Sozialbetreuerin damit beauftragt werden. Das zeigt, wie sehr Diskrepanzen in der Bürokratie oft das Wohl der Menschen behindert. Deshalb sollte mehr in Wohlbefinden investiert werden und nicht nur in Wohlstand.  

Was würden Sie ändern wollen bzw. sich wünschen? 

Ich würde mir wünschen, dass wir wieder mehr Achtsamkeit für die Vergänglichkeit des Lebens entwickeln. Das Altern, die Krankheiten und selbst der Tod sollte nicht tabuisiert werden, er gehört zum Leben dazu. Früher wurden die Friedhöfe immer im Zentrum des Dorfes errichtet und Tod war für die Gemeinschaft immer ein Thema. Ich würde mir mehr Raum für die Auseinandersetzung mit Leben und Tod wünschen und eine stärkere Familienpolitik. Gerade in der sozialen Arbeit sollte diese greifen, denn es ist ein sehr familien- und partnerfeindlicher Beruf.  

Sie haben das Thema Tod angesprochen – warum ist Ihnen dieses Thema so wichtig? 

Ich habe viele Jahre, als ich als Pflegerin arbeitete, Menschen beim Sterben begleitet. Weil es zur Arbeit gehörte und die Leute bis zu ihrem Lebensende zu Hause blieben, deshalb bekam mein Leben, gerade durch diese Vergänglichkeit einen anderen Wert. Es geht darum, das Leben als Geschenk zu begreifen und jeden Moment zu schätzen. 

Was ist Ihrer Meinung nach der Schlüssel, um langfristig im sozialen Bereich arbeiten zu können? 

Ich glaube, es braucht Dankbarkeit und eine positive Lebenseinstellung. Wenn man jeden Tag mit dem Gefühl aufsteht, dass man gesund ist und die Möglichkeit hat, zu arbeiten, dann kann man auch die Herausforderungen des sozialen Bereichs meistern. Arbeit ist für mich keine Last, sondern ein Geschenk. Wer sich dessen bewusst ist, kann die Belastungen des Berufs viel besser tragen. Außerdem bleibt genug Raum zum Leben, wenn man 8 Stunden schläft, 8 Stunden arbeitet, dann bleiben noch 8 Stunden zum Feiern…  

Vielen Dank für das Gespräch!