Raiffeisen Nachrichten: Wie kam es zu Ihrem Engagement als Präsidentin einer Wohnbaugenossenschaft?
Tiziana Casanova: Wir haben zehn Jahre gebraucht, um Interessenten zu finden, die bei diesem Wohnbau-Projekt mitmachen wollten, auch weil Bauen in Gröden - trotz geförderten Wohnbaus - sehr viel kostet. Niemand wollte die Präsidentschaft übernehmen und so habe ich gesagt, also wenn ihr wollt, mache ich das. Ich hatte bisher noch nie mit dem Bausektor zu tun. Aber da mein eigenes Haus gebaut wurde, war es mir wichtig dabei zu sein.
Würden Sie es noch einmal machen?
Ja sicher. Die Erfahrung hat mich bereichert: Ich habe sehr viele Menschen kennengelernt, habe mit Handwerkern und Baufirmen verhandelt, weiß heute, wie ein Fenster funktioniert und kenne mich mit Fundamenten, Photovoltaik und Elektrizität aus. Schade, dass es nur wenige Frauen gibt, die dieses Amt übernehmen. Also ich kann diese Erfahrung nur empfehlen.
Was ist Ihnen als Obfrau wichtig?
Mir gefiel es einfach da zu sein, zu handeln und Lösungen zu finden. Wenn es ein Problem gab, war ich da. Ansonsten schätze ich Ehrlichkeit und Transparenz und so war auch meine Präsidentschaft.
Wie war es als Frau in einem männlich dominierten Umfeld?
Zu Beginn war ich schwanger im 8., 9. Monat und bei den Gesprächen mit Baufirmen oder Unternehmen war immer noch jemanden der Mitglieder dabei, meist Männer, daher nahm niemand Notiz von mir bis der Architekt mich als Präsidentin vorstellte. Mich brachte das zum Schmunzeln. Im Laufe der Zeit kam der gegenseitige Respekt. Auch beim Firstfest habe ich gesprochen und allen gedankt. Aber ja im Bereich Wohnbau haben es Frauen noch schwer.
Haben Sie in ihrer Rolle auch Macht verspürt?
Nein, die einzige Macht, die als Präsidentin habe, ist, dass meine Stimme doppelt zählt und daher könnte ich bei einer Abstimmung mit Gleichstand, die Entscheidung herbeiführen. Aber so knappe Abstimmungen gab es nie.
Welches war die schönste Erfahrung aus dieser Zeit?
Das Wissen, das ich erlangt habe. Und das Ergebnis. Wir haben ein großartiges Resultat erzielt in sehr kurzer Zeit. Wir haben im April 2023 mit dem Ausheben der Baugrube angefangen. Und ich bin als eine der letzten Ende Juli dieses Jahres eingezogen. Also plus/minus ein Jahr.
Welches war die größte Herausforderung im Rahmen dieses Projektes?
Alles unter einen Hut zu bringen: meine Rolle als Mutter. Haushalt, Genossenschaft, die Arbeit für meinen Mann, für den ich Termine und Vormerkungen organisiere. Daneben helfe ich auch noch in einer Residenz bei Ankünften und Abreisen. Ich habe zum Glück meinen Vater, der in Notfällen immer einspringt und die Kinder nimmt. Bei einigen Sitzungen waren die Kinder auch dabei.
Was fällt Ihnen besonders leicht?
Ich bin ein Mensch, der Dinge anpackt. Also wenn jemand anzurufen ist, dann erledige ich das sofort. Ich bin und war immer rechtzeitig zur Stelle. Wenn es beispielsweise darum ging, die Fliesen auszusuchen, erledigte ich das sofort, damit die Arbeiten fortschreiten konnten.
Wie kann man sich die Arbeit als Präsidentin einer Wohnbaugenossenschaft vorstellen?
Als Genossenschaft haben wir uns einmal im Monat getroffen, zusammen mit dem Architekt und den Mitarbeiterinnen der Arche im KVW. Die intensivste Zeit war am Anfang, als wir Firmen aus der unmittelbaren Umgebung aussuchen und alle Kostenvoranschläge prüfen mussten. Sobald mit den Arbeiten begonnen wurde, ging es darum auf der Baustelle zu sein und bei Bedarf Dinge zu organisieren. Falls eine Lieferung Verspätung hatte, versuchte ich das zu beschleunigen. Auch heute noch rufen alle mich an, wenn es etwas gibt. Wir haben die Genossenschaft noch nicht aufgelöst. Erst nach der offiziellen Übernahme des Hauses endet meine Präsidentschaft. Aus der Genossenschaft werden dann Privathäuser. Im Moment sind wir noch dabei alle Rechnungen durchzuschauen …
Woher nehmen sie die Kraft und Begeisterung für Ihren Alltag?
Ich habe eine wunderbare Familie hinter mir. Sie stärkt mir den Rücken. Meine Eltern wohnen in der Nähe und mein Mann gibt mir sehr viel Kraft. Wenn es zu Hause Harmonie und Liebe gibt und das Umfeld passt, schafft man den Rest. Davon bin ich überzeugt.
Wie gestalten Sie eine Auszeit?
Ich liebe es, auf den Berg zu gehen und mich in der Natur aufzuhalten. Selbst während der Bauzeit machte ich mit dem Kleinen im Tragerucksack ausgedehnte Spaziergänge.
Wann empfinden Sie das Gefühl stark zu sein?
Vielleicht bin ich als Charakter stark, denn bisher habe ich mich aus schwierigen Situationen immer selbst wieder herausgezogen. Im Rahmen des Projektes hat mich Architekt Stefan Dellago und die Mitarbeiterinnen der Arche im KVW, Lisa und Berni, sehr unterstützt. Unter uns gab es ein schönes Einverständnis. Wenn das Feeling stimmt, respektiert und unterstützt man sich gegenseitig. Und alles, was anfällt wird erledigt.
Wie stehen Sie zum Thema Frauenförderung?
Ich habe das Gefühl, dass Frauen im Bereich Wohnbau immer ein bisschen Angst haben, weil es eben ein eher männlich dominiertes Gebiet ist. Aber wen schert das. Wir bringen Kinder zur Welt und schaffen daher auch alles andere mit links.
Welchen Rat würden Sie Frauen geben, die sich überlegen im Gremium einer Genossenschaft mitzuarbeiten?
Ich würde jeder Frau raten diese Erfahrung zu machen. Wenn sie Lust dazu hat, soll sie sich aufstellen lassen.
Was macht sie privat und beruflich glücklich?
Jeden Tag zu sehen, was ich verwirklicht habe, macht mich glücklich. Ich bin dankbar in dieser Wohnung zu leben und aufzuwachen und auf die umliegenden Berge zuschauen. Mein Traum war es den Langkofel zu sehen.
Vielen Dank für das Gespräch!


