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Melanie Zuegg: „Wir werden immer einen Weg finden.“

Seit über zwei Jahren engagiert sich Melanie Zuegg im Verwaltungsrat der Genossenschaft Bio Südtirol. Im Interview mit den Raiffeisen Nachrichten spricht sie über ihren Weg dorthin, Herausforderungen in der Gremienarbeit und die Bedeutung von Vielfalt.

Raiffeisen Nachrichten: Frau Zuegg, wie kamen Sie zu Ihrer Rolle im Verwaltungsrat?
Melanie Zuegg: Ganz einfach - man hat mich gefragt. Zuerst wollte ich nicht, weil ich dachte, ich kann das nicht. Das war eine Welt, die ich überhaupt nicht gekannt habe. Da ich jedoch schon länger für mein Leben entschieden hatte Herausforderung anzunehmen, auch wenn ich unsicher bin, habe ich es gemacht, ohne zu wissen, was auf mich zukommt.

Was war dabei Ihre größte Herausforderung?
Die größte Herausforderung war der Schritt es zu tun, die Entscheidung, denn ich bin ein Mensch, wenn ich sage ich mache etwas, dann mache ich es hundertprozentig und möchte nicht ständig sagen, jetzt kann ich nicht. Mir ist es wichtig etwas durchzuziehen. Die Themen waren neu für mich, aber genau das hat mich gereizt. Und die Gruppe hat mich gut aufgenommen und unterstützt.
Im Rückblick waren diese drei Jahre besonders. Ich habe viel gesehen und einen umfassenden Einblick bekommen in Bezug auf Produktion, Genossenschaft und Organisation, Dinge, die Außenstehende nicht so leicht nachvollziehen können. Und ich habe auch gesehen, dass es nicht immer leicht ist, das nach außen zu vermitteln. Das jedoch liegt mir am Herzen, damit die Bauern das Gefühl haben, sie sind gut aufgehoben.

Sie sind die einzige Frau im Gremium – wie erleben Sie das?
Klar, die weibliche Perspektive fehlt manchmal, etwa in Gesprächen „danach“ beim Pizzaessen. Aber im Gremium selbst ist die Arbeit sachlich und respektvoll. Ich finde es gut, dass im Gremium eine Frau ist, einfach weil es zur Diversität beiträgt. So wie es auch Junge und Ältere braucht und auch unterschiedlichere Charaktere, unterschiedliche Interessen. Meine Rolle sehe ich besonders im sozialen Bereich – Mitarbeiterführung, Wertschätzung und gute Kommunikation.

Was bedeutet für Sie Verantwortung oder Macht?
Macht klingt für mich oft negativ. Ich sehe Verantwortung eher als Möglichkeit, mitzugestalten. Gerade in der Landwirtschaft ist es spannend, wie viel man selbst entscheiden und bewegen kann – ob bei der Qualität der Äpfel oder im Umgang mit Menschen.

Wie erleben Sie Führung in Ihrem eigenen Betrieb?
Wir führen zu dritt: Mein Vater bringt Erfahrung mit, mein Mann setzt vieles praktisch um, und ich kümmere mich um Organisation und Zertifizierungen. Also ich sehe das Potential im Team, wir ergänzen uns gut und ich sehe mich nicht als Anführer. Ich finde es angenehm, nicht allein zu sein. Und es ist schön, dass es so sein kann. Das ist fast ein Luxus. Es ist gut, weil es oft schwierige Situationen gibt, die man im Team besprechen kann.

Wo finden Sie Ausgleich?
Ich denke es ist die Vielfalt, die interessant ist. Dazu gehört auch das Engagement im Verwaltungsrat. Ansonsten ist die Floristik meine große Leidenschaft und sicher mein Ausgleich. Ich dekoriere regelmäßig Hotels, Messestände und Veranstaltungen, am liebsten mit regionalen Pflanzen. Ich arbeite auch gerne im Gemüsegarten, koche und backe gerne. Das hängt alles zusammen: gesunde Äpfel produzieren und sich gesund ernähren. Auch die Zeit für meine beiden Töchter zu haben finde ich wichtig. Einfach die Qualität des Lebens. Darin spiegelt sich vieles wider.

Und was begeistert Sie an der Floristik?
Die kreative Arbeit mit der Natur, Saisonalität, Regionalität und die Herausforderung mit dem, was Schönes gestaltet werden kann. Mein Anspruch dabei ist es Pflanzen von hier zu verwenden, weil das im Einklang mit der biologischen Produktion steht.
Wir produzieren für Demeter und das bedeutet alles in Einklang zu bringen: Mensch, Natur und Kosmos und ich fühle mich wohl, wenn ich das im Bereich Floristik umsetzen kann, wo es noch neu ist. Und es freut mich, dass es gut ankommt.

Was ich noch gerne mache: ich moderiere Hofentwicklungsgespräche. Diese Möglichkeit bietet der Verein der Arbeitsgemeinschaft für biologisch-dynamische Wirtschaftsweise seinen Mitgliedern. Biodynamisch arbeitende Landwirte können sich hier in einem kleinen Kreis von Gleichgesinnten über ein persönliches Anliegen austauschen, mit dem Ziel sich weiterzuentwickeln. Ich nehme dabei eine beobachtende Rolle ein und sorge dafür, dass die vorgegebene Gesprächsstruktur eingehalten wird. Es ist eine sensible und sanfte Art der Selbstreflexion.

Wie würden Sie sich in drei Begriffen beschreiben?
Vielfältig. Kreativ. Motiviert - ich kann mich gut für etwas begeistern.

Und wie sehen Sie Ihre Rolle als Frau in der Landwirtschaft?
Ich sehe mich nicht als klassische Bäuerin, aber als Teil eines Ganzen. Das Thema „Frau“ war für mich nie ein Hindernis – wir waren drei Schwestern zuhause, ich habe den Hof übernommen, weil ich als Floristin den größten Bezug zu Pflanzen hatte. Ich würde es noch einmal so machen. Es ist sehr vielseitig, auch wenn die Strukturen außen, der Markt viel verlangt. Und wir zittern jedes Jahr, dass alles gut geht.

Manchmal frage ich mich auch, wie es in Zukunft weitergehen soll und habe schon meine Bedenken, aber ich bin grundsätzlich ein positiver Mensch und daher weiß ich, dass wir immer einen Weg finden werden.

Vielen Dank für das Gespräch!