Strengere Pflichten und größere Verantwortung für Verwaltungs- und Kontrollorgane von Genossenschaften – dies bringt der neue Kodex der Unternehmenskrise, der am 15. Juli 2022 in Kraft getreten ist. Das Ziel des Kodex ist klar: es geht darum die wirtschaftliche und finanzielle Lage der Genossenschaften besser zu überwachen, sie vor Unternehmenskrisen zu bewahren und in ihrer Geschäftsfähigkeit zu erhalten.
Wie das in der Praxis aussieht, verrieten die Referentinnen und Referenten des Raiffeisenverbandes bei einer Informationsveranstaltung am 18. Oktober. Die als Webinar angebotene Informationsveranstaltung stieß bei den Mitgliedsgenossenschaften auf großes Interesse.
Verwalter stehen in der Pflicht
Anna Masoner vom Bereich Recht im Raiffeisenverband skizzierte den rechtlichen Rahmen: „Die neuen Anforderungen an die Unternehmensstrukturen erfordern von den Genossenschaften eine neue Art der Unternehmensführung. Die Genossenschaft muss angemessen strukturiert und organisiert werden, damit Krisenanzeichen rechtzeitig erkannt und geeignete Maßnahmen getroffen werden können.“
„Diese Vorgaben helfen dabei vermögensrechtliche und finanzielle Ungleichgewichte auszumachen oder die Tragfähigkeit von Schulden zu überprüfen. Immer geht es darum Warnzeichen für eventuelle Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen, um gegenzusteuern, und die Geschäftsfähigkeit des Betriebes zu gewährleisten. Anna Masoner hebt hervor: „Um eine Unternehmenskrise abzuwenden, muss der Verwaltungsrat auch die entsprechenden Maßnahmen und Instrumente nutzen, die von der Rechtsordnung zur Krisenbewältigung vorgesehen sind, wie beispielsweise den außergerichtlichen Ausgleich.“
Michael Messner, Bereichsleiter für die Revision und Prüfung der Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften, erklärte die Thematik der Angemessenheit aus Sicht der Revision. „Es ist Aufgabe der Verwalter für eine ordentliche Gebarung der Genossenschaft zu sorgen und die Genossenschaft organisatorisch so aufzustellen, damit eine geregelte und gut funktionierende Tätigkeit gewährleistet werden kann. Getroffene Entscheidungen sollten grundsätzlich dazu dienen, den Fortbestand des Unternehmens zu sichern.“
Haftungsfragen ernst nehmen
Eng verbunden mit der Erfüllung der neuen Verpflichtungen im Kodex der Unternehmenskrise sind auch ernstzunehmende Haftungsfragen. „Auch um negative Konsequenzen im Sinne einer persönlichen Haftung bei einer zukünftigen Krise bzw. Insolvenz der Genossenschaft zu vermeiden, muss der Verwaltungsrat die Angemessenheit der Strukturen der Genossenschaft sicherstellen und das Kontrollorgan die Einhaltung der Bestimmungen und die Angemessenheit überprüfen“, sagt Ruth Seebacher von der Unternehmensberatung.
Verband entwickelt Online-Tool zur Selbstbewertung
Auf der Informationstagung stellte Ruth Seebacher den vom Raiffeisenverband konzipierten Online-Fragebogen für Mitgliedsgenossenschaften vor. Mit Hilfe des übersichtlichen Online-Tools können Mitglieder selbst überprüfen, ob und inwieweit sie bereits über angemessene Organisations-, Verwaltungs- und Buchführungsstrukturen verfügen. Ruth Seebacher: „Sie klicken sich durch einen Fragebogen, der die wesentlichen Elemente zur Angemessenheit enthält und jeweils mehrere Antwortmöglichkeiten bietet.“
Das Ergebnis liefert ein klares Bild der Genossenschaft: man sieht, ob sie angemessen strukturiert ist, über ein aussagekräftiges Organigramm verfügt, oder ob die Aufgaben und Verantwortlichkeiten klar verteilt sind, die Jahresabschlüsse normgerecht erstellt werden und ob eine Budget-Planung vorliegt.
Die Antworten geben auch Aufschluss darüber, ob die Zahlungsflüsse gut geplant sind und somit eine ausreichende Liquiditätslage sichergestellt werden kann oder ob die Genossenschaft in Zahlungsverzug ist. „Für ein erfolgreiches, resilientes Unternehmen ist ein funktionierendes Controlling eine grundlegende Voraussetzung“, betonte Alexander Staffler von Unternehmensberatung, der die Bedeutung eines angemessenen Controllings und Liquiditätsmanagements besonders hervorhob.
Konkrete Unterstützung
„Das Online-Tool bietet eine wichtige Standortbestimmung“, sagte Ruth Seebacher. Mitglieder, die den Fragebogen beantwortet haben, erhalten automatisch einen Bericht inklusive strukturierter Auswertung.
Aus dem Bericht werden etwaige Lücken aufgezeigt und notwendige Handlungsempfehlungen für die Mandatare und Geschäftsführung abgeleitet. „Dieses einfache, aber effiziente und unkomplizierte Assessment trägt dazu bei, Krisen rechtzeitig zu erkennen und vorzubeugen“, betonte Seebacher.