Warum Bäuerinnen Tagesmütter werden

Die Sozialgenossenschaft "Mit Bäuerinnen lernen - wachsen - leben" feiert heuer ihr zehnjähriges Bestehen. Maria Hochgruber Kuenzer, wiedergewählte Präsidentin, im Interview über Kinder- und Seniorenbetreuung am Bauernhof.

Gestartet war alles als Projekt Bäuerinnen und Frauen im ländlichen Raum gesicherte Arbeitsmöglichkeiten zu bieten. Die Idee Kinder und Senioren an Bauernhöfen zu betreuen kam dazu und schon war die Sozialgenossenschaft "Mit Bäuerinnen lernen - wachsen - leben" geboren. Heute zählt die 2006 gegründete Organisation über 70 arbeitende Tagesmütter. Im Bereich der Seniorenbetreuung am Bauernhof und bei Gastfamilien im ländlichen Raum leisteten rund 30 Mitglieder im Vorjahr 2700 Betreuungsstunden.

Raiffeisen Nachrichten: Die Vollversammlung ist ein guter Moment auf die vergangenen zehn Jahre Sozialgenossenschaft "Mit Bäuerinnen lernen - wachsen - leben" zurückzublicken. Wie geht es Ihnen?

Maria Hochgruber Kuenzer: Gut, sehr gut. Wir haben vor zehn Jahren also 2006 beim Punkt Null begonnen mit dem Ziel den Tagesmutterdienst am Bauernhof anzubieten. 2007 hat die erste Tagesmutter ihren Dienst aufgenommen. Heute haben wir 72 Tagesmütter, die täglich in ganz Südtirol arbeiten. Konkret sind das Kollektivverträge und monatlich 72 Lohnstreifen, die für die Tagesmütter hergerichtet werden.

Wird der Dienst gut angenommen?

Ja sehr gut. Wir haben im Monat im Schnitt 370 Kinder, die wir betreuen zu ganz unterschiedlichen Zeiten. Es ist die Flexibilität, die unsere Tagesmütter auszeichnet. Eine Mutter, die in der Früh bereits vor acht arbeiten muss, kann das Kind schon um 7.00 Uhr zur Tagesmutter bringen. Arbeitet sie am Abend länger, kann das Kind auch erst um 19.00 oder 20.00 Uhr abgeholt werden. Für Eltern, die im Gastgewerbe arbeiten, gibt es Betreuung am Wochenende: das sind alles Vorteile, die eine unserer Tagesmutter in punkto Flexibilität geben kann.

Was unterscheidet die Tagesmutter der Sozialgenossenschaft "Mit Bäuerinnen lernen - wachsen - leben" von anderen Tagesmütter?

Die Naturpädagogik. Wir wollten von Anfang an diese Naturverbundenheit in die Kinderbetreuung einbringen und haben dabei an die frühere Sommerfrische gedacht: also die Idee die Kinder, die nicht so eine Farbe hatten, die geschwächelt haben, die sollten den Sommer auf dem Bauernhof verbringen können, damit sie wieder rote Wangen bekommen. Davon sind wir ausgegangen. Dann mussten wir uns entscheiden, ob wir uns selbständig machen oder nicht. Schließlich war klar: wenn wir Naturpädagogik so umsetzen möchten, wie wir das möchten, müssen wir uns selbständig machen. Wir haben den Schritt gewagt, uns gut etabliert und können heute selbst gestalten und Schwerpunkte in der Weiterbildung und bei den Kollektivverträgen setzen. Ich weiß es ist ein Risiko eine Genossenschaft zu führen und daher auch die große Dankbarkeit, dass bisher keinerlei Risiko oder Gefahren eingetreten sind.

Was liegt Ihnen besonders am Herzen?

Was uns wichtig ist, ist die Qualität der Betreuung. Unserer Ansicht nach heißt Tagesmütter sein nicht nur auf Kinder aufpassen, sondern Kinder fördern und begleiten in ihrer wichtigsten Zeit. Die ersten drei Jahre sind für die Stabilität des Kindes ganz ganz wichtig.

Ihre Tagesmütter sind ausschließlich Bäuerinnen?

Das sind Bäuerinnen und nicht Bäuerinnen. Das war von Anfang an gleich und mit zwei unterschiedlichen Kollektivverträgen, Tagesmütter arbeiten beispielsweise mit dem Berggesetz und es gibt andere die über dem Kollektivvertrag Hausangestellte arbeiten. Unser Ziel ist es diese Kollektivverträge zu verbessern und das ist auch eine ganz große Herausforderung. Da arbeiten wir mit den politischen Vertreterinnen und Vertreter in Rom zusammen, damit die INAIL, die INPSversicherung uns die Zustimmung gibt und einen höheren Kollektivvertrag ermöglicht.

Selbstverständlich sind auch Nicht-Bäuerinnen, die sich das naturpädagogische Konzept - aneignen und eine entsprechende Weiterbildung machen - eingeladen, den Tagesmutterdienst über unsere Organisation abzuwickeln.

Gibt es weitere Pläne für die Zukunft?

Was uns vorschwebt ist Kindern eine Art roten Faden zu bieten. Das heißt, dass wir neben der Kleinkindbetreuung auch die Nachmittagsbetreuung für Schulkinder anbieten möchten. Eine Tagesmutter könnte in zwei, drei Stunden am Nachmittag auch mit dem Kind die Hausaufgaben machen. Für Kinder ideal, da sie die Tagesmutter bereits von früher kennen und für berufstätige Eltern eine große Entlastung. Diese Umsetzung ist noch sehr schwierig, denn die heutigen Nachmittagsbetreuungen sind eigentlich nur die Gruppenbetreuung 8 Personen. Und mit 8 Personen gleichzeitig kann man nicht arbeiten das ist dann schon mehr sie beschäftigen aber nicht dass man individuell auf das Kind eingehen kann bei den Hausaufgaben und bei der Betreuung.

Wie steht es um die Seniorenbetreuung am Bauernhof?

Auch hier wollten wir eine Alternative zu bestehenden Strukturen oder der Ganztagsbetreuung schaffen. Wir haben 2015 bereits 2700 Betreuungsstunden abgewickelt. Allerdings sind wir in diesem Bereich vom Preis her noch nicht konkurrenzfähig. In der Struktur ist der Betreuungsdienst noch um vieles günstiger als bei uns. Das wird sich noch einpendeln. Derzeit machen wir sehr viel Betreuungsentlastung am Wochenende, in Urlaubszeiten auch einmal 3- 4 Tage oder zweimal in der Woche, sodass Angehörige entlastet werden. Das muss noch stärker beworben werden. Da wir jedoch die Struktur Genossenschaft bereits haben und die von der Kinderbetreuung aufrechterhalten wird, ist der Druck nicht so gewaltig, wie am Beginn als wir die Genossenschaft gegründet haben.

In diesem Bereich arbeiten hauptsächlich Frauen?

Tja, das ist eine Kritik, die ich anbringe. Ich bin mir sicher, wenn diese Tätigkeit eine Männertätigkeit wäre, dann wäre sie auch besser bezahlt. Tagesmütter und Kinderbetreuerinnen sind nicht gut bezahlt für das was sie leisten. Sie arbeiten an der Zukunft unseres Landes. Unseres Volkes. Sie leisten sehr viel.