Rita Weithaler: „Geht nicht, gibt’s nicht“

Rita Weithaler führt, zusammen mit ihrer Familie, den Hof Niederegg in Katharinaberg im Schnalstal. Seit zwei Jahren ist sie Mitglied im Verwaltungsrat des Milchhofs Meran. Warum es wichtig ist, dass auch Frauen im Gremium mitarbeiten, erklärt sie im Interview.

Warum engagieren Sie sich im Verwaltungsrat des Milchhofs Meran?

Für die Wahl suchte man jemand aus dem Gebiet Schnalstal und da bin ich gefragt worden. Ich hätte lieber meinen Mann vorgeschoben, aber da ich die Hofbesitzerin bin, geht das nicht. Dann habe mir gedacht, ich könnte es tun: Ich bin gerne Bäuerin und arbeite mittlerweile schon 30 Jahre zusammen mit der Familie auf diesen Hof. Es hat mich interessiert zu sehen, was mit unserer Milch passiert. Inzwischen habe ich einen anderen Blickwinkel und weiß, dass alles nicht so einfach ist und nur mit Fingerschnipsen geht. Und daher kann ich auch besser mit Kritikern reden.

Gibt es etwas, das Sie überrascht hat?

Dass der Joghurtmarkt in Italien so gut geht. Es ist faszinierend zu sehen, dass so viele Menschen aus Italien Südtiroler Joghurt wollen. Bei der ersten Sitzung hat man uns den Betrieb gezeigt. Also wer das nicht gesehen hat, kann sich nicht vorstellen, wie groß die Anlage im Milchhof Meran ist.

Welches sind die größten Konfliktpunkte zwischen Bauern und Milchhof?

Es ist schwer zu verstehen, dass wir für die Milch so wenig bekommen. Milchprodukte sind im Verhältnis teuer. Und wir sind 365 Tage 24 Stunden am Tag eingespannt, wir müssen die Tiere füttern, oft auch in der Nacht da sein, wenn eine Kuh kalbt oder krank ist und bekommen nur so wenig. Das ist das größte Problem. Viele verstehen das nicht. Und ich weiß mittlerweile, woran das liegt.

Und woran?

Zum Beispiel am Verpackungsmaterial: Es wurde eine neue innovative, ökologisch nachhaltige Verpackung für die Frischmilch sowie für das Trinkjoghurt entwickelt. Weg vom Plastik. All das kostet viel Geld. Über 180 Angestellte sorgen jeden Tag für die hohe Qualität der Produkte. Ich habe zum Obmann gesagt, wenn ich den Betrieb sehe, wundert es mich, dass überhaupt etwas übrigbleibt. Das ist ein Wahnsinnsbetrieb und die ganzen Maschinen müssen instandgehalten werden, der Strompreis und die Transportkosten sind angestiegen und im Handel gibt es enge Preisvorgaben. Das ist alles nicht so einfach.

Und wie groß ist Euer Hof, wie viele Kühe habt ihr?

Wir haben 14 Stück Braunvieh ohne Hörner, Jungrinder, Ziegen und Schafe. Wir machen keinen Direktverkauf und liefern alles an den Milchhof. Vor kurzem haben wir einen Laufstall gebaut und einen Hof dazu gepachtet, damit es etwas leichter geht. Wir haben aber auch gesehen, dass es viel Arbeit ist. Die Jungen gehen arbeiten. Ich verstehe das, denn am Monatsende bekommen sie ihren Lohn. Sonst muss man schauen, wie man weiterkommt.

Wie würden Sie ihre Arbeit im Gremium beschreiben?

Im Moment höre ich vor allem zu, damit ich gut hineinkomme und die Dinge verstehe. Das braucht Zeit. Insgesamt war die letzte Zeit schwierig, zwischen Corona und den Preissteigerungen. In der kommenden Sitzung wird es dann um die neue Milchmarke gehen.

Welches ist für Sie die größte Herausforderung im Gremium oder bei der Arbeit am Hof?

Milchwirtschaft ist eine schwierige Arbeit und wird immer schwieriger. Künftig wird es in Südtirol auch immer weniger Milch geben. Durch das Tierwohlgesetz, geben viele ihren Betrieb auf. Bei uns haben viele Bauern noch einen alten Anbindestall mit vier oder fünf Kühen. Auch sie müssen sich an die neuen Bestimmungen halten. Und dann sagen sie sich, bevor ich umbaue, lasse ich es und gehe irgendwohin arbeiten oder halte mir Ziegen und Schafe.

Wir auf unserem Hof haben 132 Erschwernispunkte. Die Wiesen sind steil und daher können wir unsere Melkkühe nicht einfach auf die Wiese lassen. Das will das Tierwohl-Gesetz: entweder du hast einen Laufstall oder du lässt die Tiere ins Freie. Und deshalb haben wir einen Laufstall gebaut. Ziegen oder Schafe können den ganzen Winter draußen sein. Da ist das nicht so genau. Bei einer Kuh muss alles passen.

Der Laufstall war eine große Investition…

Ja, besonders im letzten Jahr. Wir haben im Sommer gebaut und sind im Herbst eingezogen. Durch die Preissteigerungen gab es jede Woche einen anderen Preis. Alle Angebote waren nur für drei oder fünf Tage gültig. Dann ist der Preis wieder angestiegen. Da haben wir nicht mehr gut geschlafen.

Haben sie ans Aufgeben gedacht?

Letztes Jahr habe ich mir gedacht, das geht jetzt nicht mehr. Nur, ich habe den Hof vom Vater übernommen und spüre große Verantwortung ihn weiterzuführen. Und dann denke ich mir, nein aufgeben, das tun wir nicht. Aber was die Jungen tun werden, weiß ich nicht.

War der letzte Umbau die größte Herausforderung im Leben, oder gab es noch etwas anderes?

Den Stall haben wir bereits zum zweiten Mal umgebaut. Beim ersten Mal war ich noch jung, nicht einmal 30. Und jetzt beim zweiten Mal habe ich gemerkt, dass ich älter werde. Ich bin Mitte 50. Das Haus haben wir 2011 gebaut und da haben wir in der Zwischenzeit in der Garage gewohnt. Es gibt immer wieder Phasen, wo man denkt, das ist schwierig. Aber dann geht eigentlich alles irgendwie. Ich muss auch sagen, dass alle vier Kinder hinter uns stehen, auch der Schwiegersohn hilft bei der Heuarbeit mit, wenn er am Abend kommt.

War Vereinbarkeit Familie und Beruf je eine Herausforderung für Sie?

Mein Mann ging arbeiten, ich war immer zuhause und hatte zu tun. Ich habe alles gemacht, auch Traktorfahren auf den Wegen. Einzig mit der Mähmaschine auf den steilen Wiesen, da habe ich Angst. Das mache ich nicht.

Folgen Sie einem Lebensmotto?

Geht nicht, gibt es nicht. Einfach tun, auch wenn es nicht immer geht, wie man will.

Welche drei Eigenschaften beschreiben Sie als Persönlichkeit und Ihren Charakter am besten?

Ich arbeite gerne. Ich interessiere mich für Neues. Und zudem bin ich ein fröhlicher Mensch.

Was bedeutet Führung für Sie?

Führung bedeutet für mich, dass man selbst Entscheidungen treffen muss und Verantwortung für diese übernimmt. Und Ideen hat, diese umsetzt und das Beste draus macht.

Was bedeutet für Sie Macht?

Macht ist für mich eher negativ besetzt. Jemand schafft an und das muss man dann tun. Ich war lange die Vorsitzende der Ortbäuerinnen und da habe ich immer auch die Meinung der anderen eingeholt, dann haben wir uns gemeinsam beraten und zusammen eine Entscheidung getroffen. Auch hier am Hof ist das so. Alle werden einbezogen. Aber ja, Macht heißt auch, dass man Entscheidungen treffen und gestalten kann.

Was gibt Ihnen im Leben das Gefühl, stark zu sein?

Ich kann als Frau viele Arbeiten an meinem Hof selbst verrichten, wie zum Beispiel mähen, Traktor fahren usw. Ich habe mir einiges selbst beigebracht und habe auch keine Angst vor Veränderung. Ich finde dies ist eine Stärke. Ich blicke immer hoffnungsvoll in die Zukunft.

Hobbys?

Mein Hobby sind die 20 Ziegen, die ich habe. Wenn ich ein bisschen wegkomme, besuche ich sie oben am Berg. Sie sind von Anfang Juni bis Ende Oktober auf der Alm und gehen frei umher, da muss man ab und zu nachschauen. Alle fünf Jahre machen wir eine Ausstellung mit dem Ziegenzuchtverein, wo ich mit meinen Ziegen teilnehme. Ziegen begeistern mich einfach. Müsste ich mich zwischen Kühen und Ziegen entscheiden, würde ich dennoch bei den Kühen bleiben, weil sie mein Einkommen garantieren

Wie erleben Sie die Bedeutung des Frauseins für Ihren Erfolg?

Ein Bauernhof braucht eine Frau. Die Frau hält die Familie zusammen. Frauen arbeiten im Haus, im Stall, im Garten oder auf der Wiese, eine Frau ist vielfältig und so bin ich es auch.

Was macht Sie privat und beruflich glücklich?

Privat macht mich die Familie glücklich. Ich habe vier Kinder und bis jetzt sechs Enkelkinder. Beruflich freue ich mich darüber Bäuerin zu sein. Irgendwann werde ich den Hof abgeben müssen und wenn es da gut weitergeht, ist das auch schön. Denn mithelfen werde ich auch weiterhin können.

Welchen Rat würden Sie einer Frau geben, die sich überlegt im Gremium einer Genossenschaft mitzuarbeiten?

Es ist interessant und jede soll es ausprobieren, mitreden und mitentscheiden. Im Verwaltungsrat spricht man über Dinge, die einen selbst betreffen. Sonst ärgert man sich über alles, was dort beschlossen wird. Wenn man dabei ist, weiß man und versteht die Zusammenhänge besser. Jede soll sich einbringen, die Meinung sagen und abstimmen. Das schafft jede Frau. Ich würde es jederzeit noch einmal tun. 

Warum ist es wichtig, dass Frauen in Gremien mitarbeiten?

Frauen sehen manche Dinge einfach anders, vielleicht auch sensibler. Verschiedene Blickwinkel tun gut, um eine Lösung für Probleme zu finden. Es geht um die Vielfalt, glaube ich. Aber ich weiß, wie schwierig es ist überhaupt jemand zu finden der sich bereit erklärt in einem Gremium mitzuarbeiten.