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Magdalena Tanzer: „Ohne meine Familie würde das alles nicht funktionieren.“

Nach dem Besuch des Wissenschaftlichen Lyzeums in Meran, spezialisierte sich Magdalena Tanzer auf Informatik und lernte in London Business-English. Dass sie heute den elterlichen Zörnlab Hof in Lana führt, war so nicht geplant. Wie es dazu kam und warum sie auch im Gremium der Obstgenossenschaft Pomus mitarbeitet, verrät sie im Interview.

Raiffeisen Nachrichten: Wie kam es dazu, dass Sie den Zörnlab Hof in Lana übernommen haben?

Magdalena Tanzer: Das kam überraschend für uns. Mein Mann ist gelernter Tischler, stammt jedoch von einem Bauernhof. Ich selbst habe lange bei der Firma Frutmac in Nals gearbeitet, wo wir Verpackungsmaschinen und -materialien für Genossenschaften und große Abpackbetriebe in ganz Europa lieferten – war also in der Branche. Dort konnte ich viele Einblicke gewinnen, die man sonst als Bauer nicht bekommt. Als meine Schwester einen Bauern aus Oberplars geheiratet hat, erkannte sie bald, dass es nicht möglich ist beide Bauernhöfe parallel zu führen und daher hat sie uns gefragt, ob wir den Hof der Eltern übernehmen möchten. Wir haben überlegt und dann beschlossen den Hof weiterzuführen. Über 200 Jahre arbeiteten meine Ahnen auf dem Hof, auch meine Eltern haben viel investiert und uns einen Vorzeigebetrieb hinterlassen. So einen Erbhof kann man nicht auslassen!

Unser Betrieb hat gut vier Hektar. Das liegt an der Grenze, um die ganze Familie inklusive meiner Eltern, die hier wohnen und mithelfen, zu versorgen. Daher habe ich, nach der Geburt unserer Tochter im Jahr 2018, wieder in Teilzeit in einem Büro angefangen zu arbeiten. Das gefällt mir, nur ist es jede Woche aufs Neue eine große organisatorische Herausforderung. Wir haben Glück, eine private Ganzjahresbetreuung und die Unterstützung unserer Eltern zu haben.

Wie kam es zu Ihrem Engagement im Verwaltungsrat der Obstgenossenschaft Pomus?

Der ehemalige Obmann der Lanafruit, Norbert Schnitzer, hat mich vor vier Jahren anlässlich der anstehenden Wahlen kontaktiert und gefragt, ob ich Interesse hätte im Verwaltungsrat mitzuarbeiten. Bis dahin hatte ich das nie in Betracht gezogen. Und als ich mit Familie und Kollegenkreis darüber sprach haben mich alle bestärkt, weil man einen guten Einblick bekommt, und weil ich ihnen zufolge auf Menschen zugehe, mit allen rede und somit ein gutes Bindeglied zwischen den Bauern und dem VOG bin.

Und so habe ich beschlossen es zu probieren. Und dann bekam ich – sicher auch, weil ich die einzige Frau war – schon bei der ersten Wahl die drittmeisten Stimmen. Bei der zweiten, durch die Fusion vorgezogene Wahl, habe ich weitergemacht und wurde wieder mit vielen Stimmen belohnt. Mir gefällt die Arbeit im Gremium sehr. Durch das Hintergrundwissen verstehe ich vieles besser und kann es auch anderen erklären, denn im Moment ist es nicht einfach.

Was empfinden Sie als Herausforderung?

Die Herausforderung im Verwaltungsrat: den Bauern bzw. Mitgliedern der Genossenschaft begreiflich zu machen, dass wir ein WIR sind. Viele Bauern begegnen uns Verwaltungsräten, als wären wir der VOG.

Ansonsten definitiv die Kostensteigerung und die schlechten Verkaufsergebnisse in den letzten zwei Jahren. Im Moment stimmt das Verhältnis zwischen Verkaufspreis und Produktionskosten bei den Äpfeln nicht mehr überein. Hinzu kommt, dass die großen Ketten und die Zertifizierungsstellen wie Global Gap ihre Richtlinien weiter verschärfen. Und wir müssen die einhalten, sonst haben wir keine Chance mehr am Markt. Es ist nicht immer einfach, dies den Mitgliedern zu vermitteln. Die Stimmung ist schwierig.

Die Herausforderung als Bauer ist es grundsätzlich allen gerecht zu werden: der Konsument verlangt einen wunderschönen, perfekten Apfel, der möglichst unbehandelt sein soll; die Mitbürger prangern uns als Giftmischer an; in der Produktion haben wir so viele Vorschriften, dass wir teilweise nicht mehr eigenständig entscheiden können, wie wir arbeiten. Im Apparat zwischen Produzent und dem Apfel, den der Konsument im Geschäft kauft, mischen sehr viele Personen mit, die alle ihr Geld verdienen wollen.

Wie gehen Sie damit um?

Ich bin grundsätzlich ein sehr positiver Mensch und bekomme viel Rückhalt von meinem Mann und meinen Eltern. Sie sind stolz, dass ich in diesem Gremium sitze, und ermutigen mich weiterzumachen, wenn ich einen Hänger habe. Das hilft mir sehr.

Was gefällt Ihnen am besten bei der Arbeit im Gremium?

Die Vielfalt der Themen. Die neu fusionierte Pomus ist mittlerweile der größte Betrieb im VOG: wir verarbeiten etwa 20 Prozent der Äpfel. Auf der Tagesordnung stehen regelmäßig: Investitionsplanung, Personal- und Mitgliederangelegenheiten, wir machen Betriebsrundgänge und Baustellenbesichtigungen, es geht um verschiedenste Qualitäts- und Sicherheitsthemen, wir besprechen die aktuelle Situation am Apfel- und Lebensmittelmarkt und es kommen auch Themen wie Hofübergabe oder Erbschaftsangelegenheiten zur Sprache. Wir bekommen überall Einblick und kennen zudem die Mitarbeiter in der Genossenschaft. Da merke ich, dass Frauen gerne zu mir kommen und mich als Mittlerin zur Geschäftsführung sehen. Das gibt mir das Gefühl gebraucht zu werden.

Was war die größte Herausforderung auf Ihrem bisherigen Lebensweg?

Seit ich Mamma bin, merke ich, dass der organisatorische Aufwand eine Herausforderung ist. Da gibt es nichts schönzureden, wenn nicht Familie, Freundeskreis und eine gute Struktur dahintersteht, funktioniert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht. Wenn man in so einem Gremium arbeitet, muss Kinderbetreuung funktionieren, denn viele Sitzungen finden am Abend statt, oft werden spontan on- und offline-Treffen anberaumt. Derzeit bin ich als Frau allein im Gremium und es wäre schwierig diese langjährig gewohnten Abendtermine zum Beispiel auf den Nachmittag zu verschieben. Da braucht es noch viel Vorarbeit. Ohne meine Familie würde das alles nicht funktionieren.

Wie fühlen Sie sich als einzige Frau im Gremium?

Ich fühle mich sehr wohl, ich erfahre definitiv keine Sonderbehandlung und fühle mich absolut gleichwertig mit den Kollegen. Was mir schon gesagt wird, dass ich bei bestimmten Themen eine soziale Komponente miteinbringe, die Männer nicht mitbedacht haben. Das finde ich gut und soll einfach Platz haben.

Sind Sie jemand der andere Frauen fördert?

Absolut ja. Auf der Suche nach Kandidaten habe ich vor der Wahl immer wieder bewusst Frauen angesprochen. Allerdings merke ich - das bestätigt auch Patrizia, die Obfrau der Bäuerinnen hier in Lana – bleibt es für Frauen herausfordernd alles zu organisieren und so zögern sie.

Welche drei Eigenschaften beschreiben Sie als Persönlichkeit und Ihren Charakter am besten?

Ich bin offen, rede gerne mit Menschen und bin ehrgeizig. Ich bin auch – das ist Vorteil und Nachteil zugleich – wenig diplomatisch und sage Dinge einfach geradeheraus. Das ist nicht immer gerne gesehen, aber der Ton macht die Musik.

Was gibt Ihnen im Leben das Gefühl, stark zu sein?

Mein Mann und meine Tochter, der Platz, den wir hier haben und die Gewissheit, dass wir uns gegenseitig unterstützen. Ich bin froh, dass auch meine Eltern noch so fit sind und mit uns leben. Das ist ein gutes Gefühl, denn egal was kommt, wir haben bisher noch alles zusammen gemeistert und das gibt mir auch Kraft für die Zukunft.

Wie erleben Sie in Ihrem Bereich die Bedeutung des Frauseins für den Erfolg?

Ich merke schon, dass die jüngeren Obmänner dahinter sind, mehr Frauen in Gremien zu bekommen. Auch bei den Mitarbeitern arbeiten inzwischen Frauen in gewissen Positionen die früher ausschließlich Männern vorbehalten waren. Da tut sich was, wenn auch schleppend. Es hapert leider oft auch daran, dass sich Frauen nicht zur Wahl stellen. Und da sind wir wieder bei Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Was macht Sie privat und beruflich glücklich?

Wenn ich nach der Arbeit das Gefühl habe etwas weitergebracht zu haben, etwas funktioniert, weil ich die richtigen Entscheidungen getroffen habe, das gibt mir ein gutes Gefühl. Privat genieße ich die freie Zeit, die wir uns rausschlagen können mit Freunden oder wir zu dritt. Wir sind gern in den Bergen und am Meer oder irgendwo am Wasser. Da kann ich meine Batterien aufladen. Kleine Auszeiten aus dem Alltag, sonst brauche ich nicht viel.

Welchen Rat würden Sie Frauen geben, die sich überlegen im Gremium einer Genossenschaft mitzuarbeiten?

Das kann ich jeder Frau nur raten. Es gibt einem viel für sich selbst, ein gutes Gefühl und einfach neue Einblicke, die man sonst nicht hat. Also wenn jemand überlegt, dann würde ich sagen: Mach es auf jeden Fall.

Vielen Dank für das Gespräch!

Vielen Dank an Sie, für das angenehme Gespräch und die Möglichkeit, Frauen vielleicht etwas mehr zu motivieren.