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Tina Marcelli: "Raus aus der Komfortzone"

Tina Marcelli, Haubenköchin im Restaurant Artefex im 5-Sterne-Hotel Feuerstein in Pflersch ist ein lebendiges Beispiel für eine erfolgreiche Frau in Führungsposition. Ihren Erfolg führt sie auf ihre Leidenschaft für das Kochen zurück.

Raiffeisen Nachrichten: Wie geht es Ihnen als erfolgreiche Unternehmerin in einer - immer noch - männlich dominierten Sparte?

Tina Marcelli: Sehr gut. Schon von klein auf war ich mit Papa in der Küche. Ich bin es gewohnt, die einzige Frau zu sein. Doch in den letzten Jahren kommen immer mehr Frauen auch aus meiner Küche, die ihren Weg finden und ganz stark werden. Ich spüre einen Aufwind von jungen Frauen in der Küche, da ändert sich etwas.

Wie erklären Sie sich Ihren Erfolg?

Meine große Liebe ist das Kochen, das ist mein Erfolg. Ich tue nichts lieber als kochen und mich mit Lebensmitteln und Verarbeitungstechniken zu befassen.

Was gefällt Ihnen am Kochen?

Ich war immer schon eine Künstlerin. Beim Kochen kann ich mich entfalten und ständig weiterentwickeln. Das reizt mich. Momentan beschäftige ich mich dem veganen Trend und mit dem Fermentieren. Das hört nie auf.

Was fällt Ihnen besonders leicht?

Der Umgang mit meinem Team fällt mir leicht. Viele haben Personalprobleme in der Küche, die kenne ich überhaupt nicht. Mein Kernteam ist seit sieben Jahren beisammen. Und kochen fällt mir leicht, weil ich es gerne tue. Da schau ich auch nie auf die Uhr. Ich bin in der Früh die erste und am Abend die Letzte.

Was empfinden Sie als Herausforderung?

Es gibt sehr viele Herausforderungen. Wir haben beispielsweise immer mehr Gäste aus Dubai und Marokko, die kein Schweinefleisch essen und ihre Gerichte essen wollen. Auch Diäten, Intoleranzen und Allergien, werden Jahr für Jahr mehr. Doch mir gefällt es Lösungen zu finden, wie beispielsweise für die Kennzeichnung von vegan, laktose- oder glutenfreien Speisen. Da klappen wir inzwischen beschriftete Wäscheklammern an den Tellerrand, damit alle genau wissen, was auf dem Teller ist.

Wie begegnen Sie Herausforderungen?

Ich bin aufgeschlossen für alles und jeden. Ich selbst bin auch froh, wenn man mich nimmt, wie ich bin…

Welches war die bisher größte Herausforderung in Ihrem Leben?

Als Frau in einer Männerdomäne ist man immer mit Herausforderungen konfrontiert. Aber die größte Herausforderung meines Lebens war, als ich ins Hotel Feuerstein gekommen bin.

Warum?

Das gesamte alte Küchenteam war weg, als wir gekommen sind. Wir standen in einem neu eröffneten 5-Sterne-Hotel, es war Weihnachten, es gab Probleme mit dem Pass und dem Service und niemand kannte die Abläufe. Das war das schrecklichste Weihnachten meines Lebens. Silvester ist dann sehr gut gegangen. Aber heute noch habe ich ein Weihnachtstrauma (lacht…)

Wie würden Sie sich selbst mit drei Eigenschaften beschreiben?

Ich bin verrückt, sonst würde ich diesen Beruf nicht machen, ich bin ein Herzensmensch, denn alles, was ich mache, tue ich aus vollem Herzen oder gar nicht. Und ich bin oft zu zielstrebig und sehr ungeduldig. Ich warte nicht einmal auf den Aufzug. (lacht)

Welche Ziele schweben Ihnen vor?

Ein berufliches Ziel ist sicher der Michelin-Stern. Eigentlich zwei Sterne, das ist unser größtes Ziel, denn wir wollen das beste Familienhotel Europas werden. Privat ist mir wichtig, dass es meiner Familie gut geht und allen, die ich gernhabe.

Was bedeutet Führung für Sie?

Ich war mit 21 Chefköchin und habe immer großes Vertrauen bekommen. Das möchte ich zurückgeben. Es ist auch schön, jungen Menschen Vorbild zu sein. Generell sehe ich Führung nicht als Last, sondern bin immer dankbar, dass ich das tun darf.

Folgen Sie einem bestimmten Führungsstil?

Ich fordere sehr viel, gebe aber auch viel. Wir haben fixe Regeln. Pünktlich ist pünktlich, bei mir gibt es niemanden, der zu spät kommt. Alle respektieren einander und das funktioniert eigentlich ganz gut. Ich würde sagen, ich habe einen legeren Führungsstil, aber wenn es nötig ist, kann ich auch streng sein. Aber nie autoritär, das ist Gott sei Dank vorbei. Denn mit Angst arbeiten, vergiftet das Essen. Wenn ein Mensch angespannt ist, wird er nie so gut kochen, wie wenn er glücklich und ruhig ist. Davon bin ich überzeugt.

Hatten Sie je das Gefühl, dass das Frausein Ihrer Karriere im Wege stand?

Als ich in München im Luxushotel Bayrischer Hof angefangen habe, war ich die einzige Frau von 22 Männern. Ich bin belächelt worden und nicht gleich zum Zug gekommen. Als sie gesehen haben, dass ich wirklich was kann und mich nicht unterkriegen lasse, bin ich akzeptiert worden. Es hat ein halbes Jahr gedauert, bis ich vorne mitkochen konnte. Aber das war für mich kein Problem. Ich wusste immer, wo ich hinwollte. Da bin ich zu stur, als dass ich nachgegeben hätte. Ich habe mir gedacht, euch zeige ich es schon.

Wo holen sie sich die Inspiration für Ihre Arbeit?

Inspiration hole ich mir aus der Natur. Vor ein paar Jahren habe ich mir noch andere Köche angeschaut, doch das interessiert mich nicht mehr, weil ich sehe, dass ich meinen Weg gefunden habe. Inzwischen arbeite ich eng mit den lokalen Bauern zusammen und nehme ganz viele Produkte von ihnen. Das ist mein Weg.

Was macht Sie privat und beruflich glücklich?

Gutes Essen macht mich auf alle Fälle glücklich. Ich merke sofort, ob etwas mit Liebe gekocht ist oder einfach nur so. Ob in der Sauce ein Stück Butter ist oder Olivenöl, oder das Schnitzel richtig angebraten ist oder nur so, damit es angebraten ist. Das sind so Kleinigkeiten, an denen ich merke, ob jemand Lust hat, oder einen schlechten Tag. Auch das kann sein.

Welchen Rat würden Sie Frauen geben, die sich überlegen eine Führungsposition zu übernehmen?

Auf alle Fälle probieren und den Schritt wagen. Oft muss man raus aus der Komfortzone und etwas Neues probieren, das ist immer der richtige Weg. Frauen haben so viele Talente und Kräfte. Ich glaube jede Frau kann sich trauen Führung zu übernehmen und ich rate jeder diesen Schritt zu gehen. Der Anfang mag zwar schwierig sein, dann aber hat man eine sehr große Genugtuung.

Vielen Dank für das Gespräch!

Interview: Irene Schlechtleitner